Hey! Ich bin Nicolai und rege mich normalerweise hier bei Semikolon über Filme auf 🙂
Heute mal ein etwas anderer Artikel, denn ich kann mich auch über etwas anderes als Filme aufregen. Was viele vielleicht nicht wissen; ich bin Vater. Und deswegen will ich es gerne teilen: Wie ist das eigentlich – Studieren mit Kind?
Ich finde, über das Thema Elternschaft gibt es viel zu wenig Inhalte. Oder wie die coolen Kids sagen: Content. Deshalb hoffe ich, dass ich ein paar Einblicke bieten kann. Disclaimer: Ich studiere an der FHP, aber wohne in Brandenburg an der Havel. Das heißt, dass viele Erfahrungen, die ich teile, für Personen, die in Potsdam wohnhaft sind, vielleicht ganz anders wären.
1. Zeit, Zeit, Zeit
Ja, ich bin ein bisschen naiv an die ganze Sache rangegangen. Ich habe mir gedacht: Meine Frau kümmert sich ein bisschen um das Baby, dann kümmere ich mich ein bisschen um das Baby und dann haben wir immer noch genug Zeit. Und dann neigt sich die Schwangerschaft zu Ende, Geburt – zack (nein nicht wirklich zack, die Geburt war sehr lang und anstrengend. Heulen, Schreien und fast Nervenzusammenbrüche. Und das war gerade mal mein Teil des Erlebnisses).
Na ja, auf jeden Fall: zack, das Baby ist da und dann: Baby tragen. Baby schläft, während man es trägt. Baby wird gestillt, beim Tragen. Bei uns war das zumindest so, dass unsere Tochter sich nicht ablegen lassen wollte. Dann wird es allerdings schwierig, wenn man wieder in die Uni einsteigen möchte. Zum Glück hat meine Frau meinen Rücken freigehalten. Okay, das klang jetzt echt patriarchal … Nein, sie hat sich auf jeden Fall bereit erklärt, das erste Jahr ihr Studium zu pausieren und dann weiterzumachen. Ich bin ihr dafür sehr dankbar.
Aber dann kam eine weitere Überraschung hinzu:
2. Finanzen
Wenn man plant, ein Kind zu bekommen und sich dann mit der BAföG-Beratung trifft, dann klingt das alles erstmal sehr machbar: Elterngeld hier, Kinderzuschuss da, Betreuungszuschuss und … haste nicht gesehen. Da denkt man: Oh cool! Werde ich vielleicht reich mit dem Elternsein? Habe ich ein Geschäftsmodell entdeckt, das alle anderen nicht sehen? Aber leider … kommt einem die Realität in den Weg.
Denn unsere Beratung meinte, dass wir ganz einfach Hartz IV für ein Urlaubssemester beantragen können – kein Problem. Die gucken dann auch nicht auf die Wohnung oder so, es ist ja nur für ein Jahr. Wir waren also überzeugt, wir bekommen das hin und die finanzielle Unterstützung ist da. Doch nachdem wir den Hartz-IV-Antrag abgeschickt hatten und ca. 3 Monate gewartet haben, bekommen wir die Berechnung unseres zukünftigen Familieneinkommens präsentiert.
Und …Trommelwirbel:
Laut Jobcenter hätten uns als Familie 100 € weniger zugestanden als wir zuvor zu zweit bekommen haben. Das war echt … wow. Wir haben in diesem Moment eine große Verzweiflung gespürt und fühlten uns betrogen von der BAföG-Beratung und von unserem Sozialsystem. Dann ist uns eingefallen: hmm, vielleicht schaffen wir es ja doch, wenn wir beide studieren. Dann bekommen wir BAföG und sind nicht auf Hartz IV angewiesen. Also: Hartz-IV-Antrag zurückgezogen, Geld zurückgezahlt und BAföG beantragt.
Es war 2021 – die Semester wurden aufgrund von Corona nicht auf das BAföG angerechnet und so konnten wir sagen, dass meine Frau ihr Studium sozusagen in Teilzeit fortführt. Jetzt stellt euch das mal vor: Da hat man gerade ein Baby geboren und dann ist die einzige Möglichkeit, die einem bleibt, ohne dass man in ein finanzielles Loch stürzt, direkt weiter zu studieren. Ach so, und sie musste im Wochenbett kurz nach Geburt noch eine Hausarbeit abgeben. Ich finde das echt heftig und bin sehr stolz auf meine Frau, dass sie das gepackt hat. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass es anders gelaufen wäre.
Ach so – und mit BAföG haben wir dann + 500 € mehr bekommen, als wir ohne Kind, also zu zweit bekommen haben. Das war nicht üppig (Kindersachen sind teuer!), aber es war ausreichend.
3. Elterngeld
Zum Elterngeld noch eine Bemerkung: Die Elterngeldstelle meinte, dass man 12 Monate Elterngeld bekommt. Das ist entweder 60 % des Gehalts, bis hin zu 1.800 €, oder der Mindestbetrag von 300 €. Dreimal dürft ihr raten, wie viel wir bekommen haben: Ja, genau die 300 €. Weil Studierende ja nicht arbeiten und so weiter … Ich find es auch unglaublich, dass jemand mit ca. 3000 € Gehalt einfach mal das sechsfache bekommt. Als wäre die Elternzeit von diesen Personen sechsmal besser, sechsmal mehr wert oder so.
Der zweite Punkt: Ich habe geschrieben, dass wir beide Elterngeld bekommen haben. Das stimmt auch nicht. Nach einigen Gesprächen mit der Elterngeldstelle wurde mir gesagt, dass man nur 14 Monate Elterngeld erhält, wenn man weniger Geld als vorher verdient.
So, und mein Verdienst ein Jahr zuvor im selben Monat war 0€ und 2021 habe ich auch 0 € verdient – also bekomme ich kein Elterngeld. Ergo nur 12 Monate Kindergeld für meine Frau. Diese Logik ist echt faszinierend. Als hätte Christian Lindner sich das Elterngeld heimlich in der Toilette auf Klopapier geschrieben und jemand anderes fand das so eine bekackt gute Idee (pun intended), dass die Person das dann umgesetzt hat.
4. Die positiven Seiten – das Fazit
Aber am Ende des Tages schaut mich unser Kind an und alles ist vergessen … und darauf scheint unser hübscher deutscher Sozialstaat zu zählen. Immerhin sind wir in der wunderbaren Situation, dass es an der FHP das FAMTeam gibt – die Familienbeauftragte Diana Zill hat mir schon oft mit meinen Sorgen geholfen.
Zu meiner Frau und mir: Ich finde es total schön, dass wir als Paar diesen Schritt gewagt haben und während des Studiums so jung ein Kind bekommen haben. Es hat uns viel wachsen lassen in unserer Beziehung und wir werden wohl auch noch viel daran wachsen.
Es ist ein sehr komisches Gefühl, Vater zu sein, wenn man gerade noch ein Kind war und sich noch nicht in diesem „Ich bin 30 und erwachsen“-Modus fühlt. Aber ich bin erst 24, also habe ich auch keine Ahnung, ob man*frau sich als 30-jährige Person überhaupt so fühlt. Könnt ihr ja gerne schreiben 🙂
Allerdings weiß ich eines: Ohne diese Entscheidung wäre mein und unser Leben ganz anders verlaufen. Daran verzweifle ich. Darüber freue ich mich. Und manchmal beides zusammen.
Falls ihr noch Fragen habt, schreibt gerne. Ihr könnt auch eine Mail schreiben an mich persönlich:
Dieser Beitrag ist Teil der Semikolon-Familienwoche! Am Donnerstag folgt der zweite Beitrag rund ums Studieren mit Kind.