Manche mögen klare Fakten mit Zahlen untermalt und andere wollen einfach etwas Unterhaltsames lesen. In diesem Beitrag gibt es beides!
Zuerst drei Erzählungen über das tägliche Pendeln zur FH und die damit verbundenen Abenteuer und Ärgernisse. Und wie dir vielleicht aufgefallen ist, hat Semikolon die Fragetafel in der Mensa reaktiviert. Dort wurden letztens Studierende zu ihrem Pendelverhalten befragt, und da es thematisch zusammen passt, folgen den Kurzgeschichten die Ergebnisse dieser Umfrage. Endlich.
Eintrag von Rike
November 2018
Die S7 ist mein neues Wohnzimmer. Das letzte Mal bin ich in der 7. Klasse regelmäßig mit der S7 gefahren, zur Schule und in die andere Richtung. Jetzt verbringe ich also die Woche damit, täglich drei Stunden in Bus und Bahn zur FH zu fahren. Dabei habe ich ungefähr acht verschiedene Möglichkeiten wie, aber leider sind alle gleich scheiße. Das übliche Leid, das mich wahrscheinlich mit der halben Hochschule verbindet …
Drei Stunden ist eine Menge Zeit am Tag, die ich möglichst sinnvoll nutzen möchte. Neben den Komponenten des Socializing, die in einem neuen Studium nicht zu unterschätzen sind, besteht das Sinnvolle also aus Vor- und Nachbereitung von Seminaren. Familie und Kolleg*innen haben mir erzählt, dass man die Pendelzeit als sinnvolle Chance zum Arbeiten nutzen kann. Und auch wenn meine Motivation auf dem Nachhauseweg schwindet, ist der Zeitstress groß und ich nehme mir vor in der Bahn an meinem Laptop zu arbeiten.
Dummerweise habe ich den Faktor Berufsverkehr vergessen, die Aussicht Schulter an Schulter und Knie an Knie mit Fremden zu sitzen ist dann auch nicht so dolle. Die Ansammlung dicker Winterjacken nicht zu vergessen, und die Idee sie in die Ablage zu machen ist zwar toll, aber seitdem ich sie einmal dort vergessen habe, um sie für 8 € aus dem Fundbüro der ODEG abzuholen, mache ich das auch nicht mehr.
Aber mit 3–4 Umsteigeunterbrechungen, morgens um 7 in einer so vollen Bahn, dass ich beim Umblättern wohl jedes mal meinem Nebenmann oder meiner Nebenfrau eine reinzimmern würde, ist das gar nicht so einfach. Der Ordner wird also wieder weggepackt, der Text bleibt dadurch ungelesen. Aber drei Stunden auf dem Handy rumdaddeln ist Blödsinn und auch die Lieblingsplaylist hat man irgendwann durchgehört.
Eines Morgens hatte ich die grandiose Idee mein Frühstück in die Bahn zu verlagern, wer hat denn nicht die Idee Cornflakes in eine Tupperware und Milch in eine kleine Flasche gefüllt einzupacken? Die Mitreisenden der S7 fanden das nicht so grandios und ich wurde mit schiefen Blicken begutachtet. Aber wenn mein gegenüber seine Zeitung komplett aufgeschlagen dem Nebenmann ins Gesicht hält, scheint sich keine*r daran zu stören.
Einmal habe ich wen beobachten die sich geschminkt hat. Und ich meine nicht, ein wenig den Schlafmangel wegschminken, um wieder zu den Lebenden zu zählen. Nein, sie hat ein Full-face-of-going-to-rumble-Make-Up aufgelegt! Und so wird jede Fahrt zu einer neuen Überraschung, welchen Menschen man begegnet und was man schafft zu erledigen – wenn die Bahn denn (pünktlich) kommt und nicht wegen Wetter ausfällt. Aber das ist eine andere Geschichte …
Eintrag von Lea
Januar 2019
Für ein paar Tage im Januar entschied sich die DB ihre Züge um einen Waggon zu kürzen. Nicht bei den Doppelstöckigen, nein, bei den Neueren. Das entspricht so einem Drittel meines ersten Zuges. Der Spaß begann schon nach einer Station, das panische Sitzplätzesuchen von Passagieren. Nach der dritten wurde es unbequem eng, nach der vierten unangenehm voll. Dort drangen dann von außen die höflichsten Stimmen, um zu bitten, doch noch weiter reinzurutschen, man sehe den Freiraum doch.
Dann meine Umsteigestation; ich habe versucht den Rucksack wieder aufzuheben ohne meine Ellenbogen in die Nachbar*innen zu rammen. Der Versuch war fehlgeschlagen. Eine genuschelte „Tschuldigung“ und ich quetschte mich durch zum Ausgang. Ich hatte nur einen Gedanken dabei, WIESO bin ich nicht mit Bus gefahren?!
Meinen Anschlusszug erreichte ich mit nur noch 10 Minuten Wartezeit. Ist doch was Positives. In meiner zweiten Bahn, eine ODEG, ist es immer tagesabhängig wie voll es ist. Es gibt aber immer Platz zum Stehen. Dann in Potsdam der schnelle Schritt, je nach Verspätung auch Sprint, zur Tram. Und dann ist es auch meistens eine Überraschung, ob man bei jeder Haltestelle aussteigen muss, um die Anderen rauszulassen, oder ob man einen Sitzplatz ergattern kann.
Den gleichen Spaß hatte ich dann nochmal beim Zurückfahren. Zeitlich habe ich den Anschlusszug geschafft. Es war 16 Uhr, alle wollten nach Hause, es standen erstaunlich Viele auf demselben Bahngleis, aber ich habe mir nichts weiter dabei gedacht. Der Zug fuhr ein und er wurde voll. Nicht voll, dass alle Sitzplätze belegt sind und ein paar Personen sich in den Ein- und Aussteigebereichen aufhalten. Nein: voll voll. Man fing an sich reinzuquetschen, zwei junge Mütter riefen in den Zug hinein, schon leicht panisch, dass sie ihre Kinder vom Hort abholen und diesen Zug nehmen müssen.
Ich konnte nur da stehen und lachen, weil ich wusste dass ich mich da nicht auch noch reinquetschen werde – auch wenn es nur für eine Station sein würde. Nach 3 Minuten warten reichte es mir und ich überlegte mir eine Alternative, um den nächsten Zug nach Hause zu nehmen. Zu meinem Stolz, musste ich dafür nichtmal die DB-App öffnen. Aber ein Blick auf die Anzeige verriet mir: die Strecke fährt nicht aufgrund von Bauarbeiten. Na toll. Also lief ich schnell zur U‑Bahn, um mich eben dort reinquetschen zu dürfen. Da hab ich wieder mal den Fahrplan von Berlin studiert, weil man ja sonst nichts machen kann und Musik hören bei dieser Umgebungslautstärke auch nicht mehr geht. Nach einem letzten Umsteigen und weiteren 20 Minuten in der Bahn, war ich dann endlich zu Hause.
Einen Tag später wusste ich, was mich erwarten würde. Deshalb fuhr ich bewusst anders, um das Gequetschte zu umgehen. Jetzt fahre ich also mit dem Bus nach Potsdam rein und der steht dann gerne entweder wegen Berufsverkehr oder wegen Unfällen im Stau. Aber daran hab ich mich schon gewohnt und es ist frühs jedes Mal ein inneres Glücksspiel-Spiel, welche Verbindung mich heute pünktlicher als Ziel bringt.
Eintrag von Annemarie
März 2019
Es ist ein grauer Morgen. Es regnete die ganze Nacht und auch am Morgen hört es partout nicht auf. Als ich in den Bus einsteige, sehe ich bereits mehrere Grundschulkinder und ich weiß, es werden noch mindestens dreimal so viele hinzukommen. Bekanntermaßen sind Kinder ziemlich ungeduldig und so führt das Einsteigen an manchen Haltestellen stets zu Gerangel. Jeder will Erste*r sein und Sitzplätze für sich und seine*n beste*n Freund*in erkämpfen.
Ich bin jeden Morgen Kronzeugin dramatischer Szenen, wenn Lars dann plötzlich doch nicht neben Lea, sondern neben Lorenz sitzen will. Das Einzige, was mich vor den bescheuerten Gründen dieses Sinneswandels abschirmt ist die Musik, die durch meine Kopfhörer schallt.
Der Busfahrer scheint die Strecke nicht gut zu kennen, er fährt nämlich schleppend langsam. Allerdings hat er trotzdem besonders gute Laune, denn fröhlich winkend überlässt er im Kreisverkehr einem LKW die Vorfahrt. Meine Umsteigezeit von fünf Minuten ist entschieden zu kostbar für diesen Zirkus!
Als der Bus endlich am Bahnhof hält, bin ich froh, der engen, lauten und überheizten Hölle entfliehen zu können. Ich biege um die Ecke zum Bahnsteig und kriege einen Schreck. Der Zug steht schon da! Ich renne durch den Regen direkt auf die nächstgelegene Tür zu.
Als ich im Sprint den rechten Fuß in den Zug setze, merke ich sofort, dass das eine schlechte Idee war, denn der Boden ist nass. Unkontrolliert rutsche ich nach vorne. Die verdammten metallisch glänzenden Streifen im Eingangsbereich verstärken das. Mein Sneaker ohne nennenswertes Profil leider auch. Ich würde gern einen lupenreinen Spagat hinlegen. Bedauerlicherweise befindet sich mein linker Fuß bereits in der Luft. Da mein rechter Fuß immer noch ungebremst ins Zuginnere saust, rutscht der Linke abwärts – in den von Kleinkindern und Senioren gefürchteten Abstand zwischen Zug und Bahnsteigkante.
Ich spüre, wie mein Schienbein der Länge nach an der Metallkante entlang schrammt. In dem Moment bekomme ich endlich eine Haltestange zu fassen und ziehe mich hoch. Mein Stunt hat keine zwei Sekunden gedauert. Mitleidige Blicke treffen mich. Eine Frau mittleren Alters mit einer teuren Handtasche lächelt mich an und meint, ihr sei das auch passiert. So ganz glauben kann ich das zwar nicht, aber ich lächle trotzdem zurück.
Mir gegenüber steht der besserwisserische Mitschüler aus meinem Abiturjahrgang. Er grinst mich an. Ich versuche zurück zu grinsen, aber es wird eher ein Zähneblecken. Zum Glück habe ich meine Kopfhörer, sonst fragt er mich noch, wie es mir geht.
Mensaumfrage.
Wie lange dauert der Weg bis zur FH? Vor wenigen Wochen haben wir euch in der Mensa zu eurem Pendelverhalten befragt. Da die Ergebnisse aber nicht gerade repräsentativ sind, folgt einfach ein Foto von der Fragetafel, sodass ihr euch selbst ein Bild machen könnt.
Falls dir jetzt DIE Geschichte von deinem Pendeln eingefallen ist und du sie gerne teilen möchtest, schreib sie doch gerne als Kommentar oder mail sie an uns!