Arbeitsraum: 404 Not Found

Arbeitsraum... 404 Not Found
© Semikolon

Gerade befinde ich mich in einem Aus­lands­se­mester in Ams­terdam und eigentlich ist die FH;P gedanklich so weit ent­fernt, dass es mich gerade selbst ver­wundert, dass ich mich mit ihr beschäftige. Eigentlich liegt es auch nur daran, dass ich gerade nicht da bin. Wenn man mal das eigene Nest ver­lässt, dann ist es bekanntlich möglich viele Dinge klarer zu sehen. Mir bot es die Mög­lichkeit einmal ken­nen­zu­lernen, dass es auch anders geht. Was mir hier an der Hoge­school van Ams­terdam in der ver­gan­genen Zeit vor allem auf­ge­fallen ist, ist enormer Raum.

Und ich meine das nicht nur, weil die Hoch­schule um ein Viel­faches größer ist, sondern mit Blick auf die Nutzung und Gestaltung des vor­han­denen Raums. Wenn man sich hier in Ams­terdam ein wenig umschaut, dann ent­deckt man ein Café in der Bib, eine Kaffee-Bar im Foyer, die nicht nur guten Kaffee macht, sondern noch sty­lisch aus­sieht, und eine Menge an Arbeits­räumen. Dabei meine ich nicht, wie bei uns, sterile Semi­nar­räume mit mini­ma­lis­tisch anmu­tenden Stühlen, so bequem wie Gefäng­nis­prit­schen, sondern frei zugäng­liche Räume für Still‑, Einzel- und Grup­pen­arbeit. Mit guten Arbeits­plätzen, gemüt­lichen Sitz­ecken und viel­leicht auch mal einem nutz­baren Bild­schirm, sodass bei Grup­pen­ar­beiten nicht alle auf einen kleinen Lap­top­bild­schirm starren müssen.

Und wenn mir jetzt jemand zurufen würde, dass es das doch alles an unserer FH geben würde, so müsste ich dies leider nach­drücklich ver­neinen. Von welchen Räumen diese Person auch zu sprechen mag, es kann nicht unsere Bibliothek sein, die in guter deut­scher Tra­dition natürlich kein Café beinhaltet – schließlich kommt man ja zum Arbeiten und nicht zum Ver­gnügen. Arbeit heißt hier natürlich, wie es sich so gehört, Stil­l­arbeit. Sich dort mit einer Gruppe zum Arbeiten zu treffen kommt erst gar nicht in Frage. Die Ein­richtung und das Raum­konzept sind dafür nicht ausgelegt.

Oder dann gibt es jetzt auch das neue Sitz­eckchen im Foyer des Haupt­ge­bäudes. Beim Anblick des Gewin­ner­ent­wurfs, der Hexagon-Lounge, möchte ich mich am liebsten in einem großen Topf gefüllt mit Honig ertränken. Zwar kenne ich die Möbel nur von den Bildern, aber diese sehen eher unprak­tisch und klobig aus. Ob der Versuch gelingt, dem unge­müt­lichen Foyer ein wenig Auf­ent­halts­qua­lität abzu­ringen, bezweifle ich.

Und dann gäbe es da ja auch noch die Mensa und die Cafe­teria. Und wie man schon aus den Namen ableiten kann, sind beide nicht fürs Arbeiten geschaffen. Und selbst an ein Mit­tag­essen in ange­nehmer Atmo­sphäre ist nicht zu denken. Es musste eben funk­tional sein – es ist halt eine Mensa. Und dennoch wird die Mensa zum Arbeiten genutzt, denn sie ist der einzige Raum, der zentral und immer zugänglich ist. Dies ist nun jedoch zum Problem geworden, da man nun deutlich mehr Men­schen durch den Umzug der FES in die Kie­pen­heu­er­allee täglich mit Essen ver­sorgen muss. Da der knapp vor­handene Platz nun dringend benötigt wird gibt es jetzt Essen im Stech­uh­rentakt. Arbeiten will man in solch einer Atmo­sphäre außerdem eigentlich auch nicht. Ganz abge­sehen von zurück­ge­las­senem Geschirr oder Essens­resten auf den Tischen und einem latenten Mangel an Steckdosen.

„Wie wäre es denn dann mit Haus 17?“, könnte man fragen. „Das ist doch schließlich für die Stu­die­ren­den­schaft gedacht!“ Könnte man sagen. Aber auch hier wird man schnell ent­täuscht. Die fin­nische Dampf­sauna ist fertig gestellt und das Haus akri­bisch gedrittelt in Büros (AStA, StuRen, Casino), einem Ver­an­stal­tungssaal und dem Casino selbst. Letz­teres ist eben auch mehr ein stu­den­ti­sches Café, als ein Arbeitsraum. Zwi­schen­zeitlich musste der AStA sogar Haus 17 vor der Kom­mer­zia­li­sierung durch ein Fit­ness­studio bewahren. Die Kassen der FH scheinen wirklich klamm zu sein. Also auch hier wird man auf der Suche nach stu­den­ti­schem Arbeitsraum nicht fündig. Selbst das Dach­ge­schoss, dass man ja irgendwie hätte nutzen können, bleibt unaus­gebaut. Archi­tektur umschließt nunmal gerne Luft. (#loveFB2 <3! Bin ja selber in dem FB2). Da auch der AStA und die StuRen dort Büro­räume haben, sprechen böse Zungen sogar davon, dass Haus 17 der stu­den­ti­schen Elite vor­be­halten ist. Also auch hier wird man als „Normalo-Studierende*r“ nicht fündig.

Bevor wir unseren Streifzug beenden schauen wir doch nochmal in die Fach­be­reiche. Am besten hat es wohl noch der Fach­be­reich Stadt | Bau | Kultur. Die Stu­die­renden der Restau­rierung arbeiten in kleinen Gruppen meist eh in den Laboren und die ange­henden Architekt*innen und Städtebauer*innen haben Studios mit einem eigenen Arbeits­platz, in denen sie jedoch auch ein­ge­pfercht sitzen wie Hühner in einem bran­den­bur­gi­schem Stall. Für die Stu­die­renden der Kul­tur­arbeit gibt es einen Pro­jektraum, der kaum genutzt wird, weil er im Haus D ist, keiner davon weiß oder man keinen Trans­ponder dafür hat. Und wenn wir schon im Haus D sind, dann schauen wir mal beim FB Design vorbei. Hier gibt es einen stu­den­ti­schen Raum, der hart erkämpft wurde und im Ange­sicht der Anzahl der Stu­die­renden im Fach­be­reich unter­ir­disch klein ist. Im FB Sozial- und Bil­dungs­wis­sen­schaften wün­schen sich die Studis einen Auf­ent­haltsraum für Pausen. Im FB Bau­in­ge­nieur­wesen sind die PC-Pools meistens stark ausgelastet.

Schade eigentlich, dass alle Leh­renden Büros haben, die die meiste Zeit leer stehen und die Stu­die­renden irgendwie im Regen stehen müssen. Da merkt man einmal mehr, dass der Hoch­schul­be­trieb noch in so vielen Aspekten in der Ver­gan­genheit ver­wurzelt ist und mehr einer Behörde ähnelt, anstatt auch baulich einem leb­haften, fle­xiblen und dyna­mi­schen (Lern-)Ort zu ent­sprechen, der Hoch­schule so gerne sein möchte. Wieso ist es nicht möglich Co-Working-Räume für Leh­rende und Stu­die­rende ein­zu­richten, die fle­xibel genutzt werden können? Die cam­pus­eigene Beton­wüste, der sog. Solar­pa­villon, würde sich da zum Bei­spiel anbieten.

Auf unsere Such­an­frage bekommen wir nur ein Ergebnis: Error 404 Not Found. Arbeitsraum? Fehl­an­zeige! Er beliebt wohl Wunsch­denken. Vorerst, denn dieser Text soll auch ein Appell für alle enga­gierten Stu­die­renden an unserer Hoch­schule sein; an den AStA und die StuRen (die sog. „stu­den­tische Elite“ – sorry, aber diese Bezeichnung ist wirklich Quatsch!). Wenn man mal für eine sinn­volle Sache kämpfen könnte, dann für stu­den­ti­schen Arbeitsraum. Wären da nicht immer diese kleinen all­täg­lichen Kämpfe, die große Visionen so schwer umsetzbar machen…

Mehr qua­li­ta­tiver Arbeits- und Auf­ent­haltsraum kann bedeuten, dass mehr Stu­die­rende länger am Campus bleiben, dass die Pro­duk­ti­vität steigt und sich die Auf­ent­halts­qua­lität erhöht und dadurch das Cam­pus­klima besser wird. Darum brauchen wir Räume, in denen man sich gerne aufhält und nicht unbe­dingt an Uni denken muss, oder wenigstens Räume, in denen man zur Abwechslung richtig gut arbeiten kann. Gut, dass ich noch ein paar Monate in Ams­terdam bin, viel­leicht bekomme ich dann bei meiner nächsten Such­an­frage doch noch ein brauch­bares Ergebnis ange­zeigt. Wäre schön – oder etwa nicht?