Depressionen im Studierendenleben

Bunte Blumen in roten, rosa und gelben Tönen
© Julia Vogt

Die Deutsche Depres­si­ons­hilfe defi­niert eine Depression als „eine aus medi­zi­ni­scher Sicht ernste Erkrankung, die das Denken, Fühlen und Handeln der Betrof­fenen tief­gehend beein­flusst […] und erheb­liches Leiden ver­ur­sacht“. Dieser Satz, der bereits eine Vielzahl starker und angst­ein­flö­ßender Wort­zu­sam­men­hänge impli­ziert, ist noch nichts im Ver­gleich zu dem, was diese immer häu­figer auf­tre­tende psy­chische Erkrankung für Betroffene bedeuten kann.

Der Weg in die Krise

Ich war schon immer eine zurück­hal­tende Person, habe Pro­bleme und Her­aus­for­de­rungen häufig sehr lange durch­dacht und eine end­gültige Ent­scheidung zu treffen fiel mir manchmal sehr schwer. Auch war mein Leben im Prinzip auf einen ein­zigen kleinen Land­kreis in Rheinland-Pfalz beschränkt, und immer häu­figer ähnelte jeder Tag dem Nächsten. Das war für mich lange okay, doch 2016 änderte sich Vieles: Mein erstes Studium stand an und ich zog in eine andere, fremde Stadt.

Ein neues Umfeld, der ver­mehrte Umgang mit unbe­kannten Kommiliton*innen und die stei­genden Leis­tungs­an­sprüche in Studium und Pri­vatem setzten eine fatale Ket­ten­re­aktion in Gang. Es begann mit dem sozialen Rückzug in die Welt von Youtube und Co. und setzte sich bald mit starken Angst­ge­fühlen fort. Da ich nie­manden kannte und so auch kaum über meine Sorgen reden konnte, nahmen meine Ängste zu und ich war bald der Meinung, ein unnö­tiges Element zu sein, das nur Res­sourcen ver­brauchte. Da mein Selbst­wert­gefühl vorher schon nie sehr gut genährt war, zer­setzten nun quä­lende Gedanken Stück für Stück die Reste meines Gefühls der Selbstliebe.

Im November 2016 kol­la­bierten dann die letzten Schutz­me­cha­nismen, die ich in den Jahren zuvor so ver­nach­lässigt hatte. Angst­an­fälle machten mich tagelang unfähig, über­haupt das Bett oder die Wohnung zu ver­lassen, und immer mehr tauchte aus dem Sumpf meiner Gedanken die Vor­stellung auf, was wohl pas­sieren würde, wenn mir ein schneller Zug auf der nahen Bahn­strecke endlich all die Last nehmen würde …

Stress und (gewählte) Einsamkeit zermürben die letzten Schutzwälle

Tat­sächlich gibt es eine Vielzahl von Fak­toren, die heute in allen Alters­gruppen Depres­sionen und Angst­stö­rungen aus­lösen können oder diese, durch immensen psy­chi­schen Druck, deutlich wahr­schein­licher machen. Als Student*innen sind wir da nicht aus­ge­nommen. So Vieles ändert sich mit der Auf­nahme eines Stu­diums und zusätzlich setzt eine gna­denlose Leis­tungs­ge­sell­schaft jungen Erwach­senen immer extremere „Ziele“, die sie angeblich unbe­dingt erreichen müssen, um nicht „in der Gosse zu landen“ oder auch „ein vor­zeig­barer und vor­bild­licher Mensch zu sein“.

Natürlich besteht auch an einer Hoch­schule ein gewisser Leis­tungs­druck, aber ich denke, dieser ist häufig nicht allein ver­ant­wortlich für die zuneh­mende Belastung der Psyche. Es sind viele ver­schiedene Fak­toren wie Zukunfts­ängste, feh­lende Ori­en­tierung, unrea­lis­tische Vor­stel­lungen zu gesell­schaft­lichem Status oder man­gel­hafte Sozi­al­kom­petenz, die Ängste und damit später Depres­sionen anheizen.

Auch auf den sozialen Medien, die von unserer Alters­gruppe gerne und viel benutzt werden, zählen nur Per­fektion und/oder Erfolg, der zum Teil nur durch ein unmensch­liches Arbeits­pensum erreicht werden kann. Hier die Balance zu finden ist eine Wis­sen­schaft für sich. Gleich­zeitig driftet das Denken unserer ganzen Gesell­schaft immer mehr ab – hin zum Extremen, Exklu­siven oder Selbstzerstörerischen.

Von Grau zurück ins volle Spektrum der Farben

Jedoch gibt es viele Wege, die, selbst aus einer schweren Depression heraus, zurück in ein glück­liches Leben führen! Jeder Mensch da draußen ist ein­zig­artig in seinen Erfah­rungen, seinem Cha­rakter und seinem See­len­leben. Deshalb muss auch eine Depression oder Angst­störung indi­vi­duell behandelt werden, wobei es fast unendlich viele Mög­lich­keiten und Methoden gibt. Im Zentrum der meisten Behand­lungen stehen die Psy­cho­the­rapie und die medi­ka­mentöse Unter­stützung durch eine*n Psychiater*in. Meist liegen den Ängsten und der Hoff­nungs­lo­sigkeit eine oder mehrere Grund­fak­toren zugrunde, die zwar auf­lösbar sind, aber trotzdem fast immer eine Änderung des bis­he­rigen Lebens­stils erfordern.

Mir half damals der Gedanke, dass ich nie riesige und super bedeu­tende Schritte auf einmal machen muss.

Mir half damals der Gedanke, dass ich nie riesige und super bedeu­tende Schritte auf einmal machen muss. Selbst kleinste Schritte aus der eigenen Kom­fortzone oder minimale positive Neue­rungen, wie ein kurzer Spa­ziergang, das Grüßen einer Person in der Öffent­lichkeit oder auch das Auf­räumen einer kleinen Ecke des Zimmers, können auf lange Sicht extrem positive Aus­wir­kungen haben und das eigene Selbst­wert­gefühl stärken. Auch Ver­stärkung suchen ist natürlich erlaubt: Familie, Freund*innen, Partner*innen und alle anderen, von denen man weiß, dass sie einem guttun können, den Rücken frei­halten, bestärken und dabei einem nicht immer alle Dinge abnehmen. Sie können nach meiner Beob­achtung kri­tische Situa­tionen sehr schnell abmildern und einen zusätzlich stabilisieren.

Selbst bei tiefer Depression, die Betrof­fenen jeden Eigen­an­trieb genommen hat, gibt es Hilfe. Die psych­ia­tri­schen Kli­niken unserer Gegenwart haben absolut nichts mehr mit den Kli­schees von Irren­an­stalten gemeinsam. Sie ermög­lichen ihren Patient*innen viel mehr, sich aus ihrem toxi­schen Alltag zeit­weise zu lösen und dort, zusammen mit spe­ziell geschulten Ärzt*innen und Therapeut*innen, sehr schnell und effektiv Lösungen zur Min­derung der eigenen Belastung zu erreichen, damit der*die Betroffene bald ins normale Leben zurück­kehren kann.

Teil der Behandlung können, wie bereits erwähnt, auch Medi­ka­mente, soge­nannte Anti­de­pressiva, sein. Sie sind mächtige Waffen gegen Depres­sionen und irra­tionale Angst, aller­dings sollten sie nur mit Bedacht und genauer Absprache mit einem*einer Psychiater*in ein­ge­setzt werden, da sie oft bedeu­tende Neben­wir­kungen haben. Diese Neben­wir­kungen müssen pro­fes­sionell beob­achtet werden; trotzdem haben Anti­de­pressiva vor allem bei mit­tel­schweren und schweren Depres­sionen eine sehr hohe Erfolgs­quote, die Lebens­qua­lität der*des Betrof­fenen stark zu ver­bessern. All­gemein sollten diese Medi­ka­mente nur ein­ge­setzt werden, um der*dem Betrof­fenen genug Kraft und Sta­bi­lität zu geben, um sich einer Änderung des Lebens­stils oder der Bear­beitung der Grund­pro­bleme widmen zu können. [1]

Nachdem bei mir im Mai 2017 eine starke Depression mit Angst­störung dia­gnos­ti­ziert wurde, konnte ich sechs Wochen in einer Klinik sta­tionär behandelt werden und mich danach Schritt für Schritt meinen Pro­blemen stellen. Heute, im Jahr 2022, bin ich glück­licher und selbst­be­wusster als jemals zuvor.

Ich hoffe, dass ich euch als Leser*innen mit diesem kurzen Text etwas Mut machen konnte. Depres­sionen können besiegt werden!

Info-Nummer Depres­sionen der Deut­schen Depres­si­ons­hilfe
0800 / 33 44 533

Telefon-Seel­sorge Berlin/Brandenburg
0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222

Nummer-gegen-Kummer (für Jugend­liche und Kinder)
116 / 111

Quellen:
1. Deutsche Depres­si­ons­hilfe; Kapitel und Über­sicht zur Anwendung von Anti­de­pressiva (Zugriff: 29.06.2022)

1 Kommentar

  1. Sehr schön geschrieben. Einfach Mal mehr Mut zum Scheitern und ver­letzlich sein haben in dieser schnellen und leis­tungs­ori­en­tierten Welt. Ohne Scham und mit ganz viel Liebe für sich selbst. Ein wohl­wol­lendes Umfeld hilft dabei sehr. Danke.

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