Habt ihr euch eigentlich schon mal gefragt was ihr zahlen müsstet, wenn es das Semesterticket durch die FH;P nicht geben würde? Ich auch nicht. Mir war eigentlich immer klar, dass wir mit dem Ticket preistechnisch wahrscheinlich sehr gut wegkommen. Ich habe mir aber im Zuge der aktuellen Semesterticket-Verhandlungen mal die Mühe gemacht, dies nachzuschauen.
Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass eine Person die an der FH;P studiert, nur den Berlin ABC-Bereich nutzt und ein monatliches Abo hat (da sich ein Studi ein Jahresabo wahrscheinlich kaum leisten kann), kommt diese auf einen Betrag von 1.008 € im Jahr. Geht man jetzt aber von der wirklichen Leistung aus, die in dem Semesterticket steckt, sind wir für das gesamte VBB-Netz bei 2.085 € im Jahr. Wir bezahlen also noch nicht mal ein Viertel von dem, was der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) von einer Person will, die das gesamte Netz nutzt. Wir mit dem Semesterticket haben sogar noch den Vorteil, dass wir die Fahrradmitnahme im Berliner ABC-Bereich haben.
Ein Semesterticket im Corona-Semester?
Momentan herrscht an der FH;P jedoch etwas Unmut über das Semesterticket. Dies ist vor allem auf die digitalen Semester zurückzuführen und die damit verbundene Nichtnutzung des Tickets; denn die meisten Studierenden haben ihre Lehre aktuell nicht vor Ort an der FH;P, sondern zu Hause über ihren Laptop oder ein anderes technisches Gerät. Was dazu führt, dass viele gar nicht erst nach Potsdam gekommen sind, sondern ganz woanders sind.
Deswegen beklagen sich Studierende seit dem Beginn des Sommersemesters 2020, dass sie ein Ticket kaufen müssen. Grund dafür ist das im Vertrag mit dem VBB festgesetzte Solidarmodell; dieses verpflichtet jede:n Studierende:n, im Semesterbeitrag ein Ticket mit zu bezahlen. Dadurch kostet das Ticket auch nur ein Viertel von dem, was es ohne Vertrag kosten würde, denn der VBB kann sich sicher sein, dass alle halbe Jahre eine feste Summe an sie überwiesen wird. Durch diese Solidarität ermöglichen wir es, dass es für alle Studierenden bezahlbar bleibt.
Aber ich verstehe auch den Unmut, dass man seit dem SoSe 2020 so viele andere Sachen mit dem Geld machen könnte, anstatt ein Ticket zu kaufen, das man gar nicht wie vorher nutzen kann. Manche Studierende brauchen dieses Geld dringend, um ihre Rechnungen zu zahlen, da sie wegen der anhaltenden Pandemie Einkunftsausfälle haben. Hierbei kann man aber auch die Landes- und Bundespolitik mit in die Verantwortung ziehen, da diese den Studierenden in der Corona-Pandemie nicht ausreichend hilft und auch erst viel zu spät etwas getan hat. Hier eine Gedankenstütze.
Außerdem versucht der AStA der FH;P mit seinem Sozialfonds möglichst vielen Studierenden zu helfen und ihnen das Ticket zurückzuerstatten. Der AStA hatte sogar einen Nachtragshaushalt in der Vollversammlung im SoSe 2020 verabschiedet, damit auch genug Geld im Sozialfonds ist. Dadurch konnten möglichst alle, die nach der Satzung des Sozialfonds erstattungsberechtigt sind und einen Antrag eingereicht haben, ihr Geld zurückerhalten.
Der Vertrag läuft aus
Was viele vielleicht auch nicht wissen: der aktuelle Vertrag des Semestertickets zwischen dem AStA und dem VBB läuft zum Ende des Wintersemesters 2020/2021 aus. Die Semesterticketverträge werden in der Regel vom jeweiligen AStA für alle Studierende der Hochschule verhandelt. Für eine Verlängerung mussten die Vertreter:innen der Hochschulen aus Brandenburg mit dem VBB über die Konditionen der Verlängerung verhandeln. Das Ganze war gar nicht so einfach, da die ersten beiden Termine in der ersten Hälfte des Jahres einmal durch den VBB abgesagt wurden und das andere Mal aufgrund des Beginns der Corona-Pandemie.
Danach herrschte erstmal Funkstille. Dann gab es einen Versuch der Brandenburgischen Studierendenvertretung (BRANDSTUVE) eine Nullrunde zu erwirken (also dass die Preise für einen ausgehandelten Zeitraum weder steigen noch sinken), da man ja in der Corona-Pandemie nicht wirklich gut verhandeln könne. Dieses wurde jedoch vom VBB abgelehnt, und das, obwohl die BRANDSTUVE dem VBB zugesagt hatte, dass man auf eine Rückerstattung der während der Pandemie kaum genutzten Semestertickets durch die Studierendenschaften verzichten würde.
Bei den Berliner Hochschulen gab es in den letzten Jahren mindestens eine Nullrunde, während man bei den Brandenburgischen Hochschulen weiter, wie vertraglich abgemacht, die Preise erhöht hat. Die Tariferhöhung war bei uns Potsdamer Hochschulen von der letzten Preissteigerung her sogar höher als die 3%, die der Sprecher des VBBs, Joachim Radünz, im Inteview erwähnt. Sie lag bei gerundet 4,5% vom Sommersemester 2019 zum Sommersemester 2020.
Berlin und Brandenburg schließen sich zusammen
Die erste richtige Verhandlungsrunde fand erst Ende Juni statt. Dort konfrontierte der VBB die studentischen Vertreter:innen der FH Potsdam, Uni Potsdam und der TH Wildau mit einer enormen Preissteigerung von fast einem Drittel im Laufe von 3 Jahren. Der VBB setzte die Vertreter:innen auch noch unter einen enormen Zeitdruck, ihr Angebot anzunehmen.
Aus Folge dieses Angebotes schlossen sich die Brandenburgischen und Berliner Hochschulen zur Interessengemeinschaft Semesterticket Berlin Brandenburg (kurz: IGSemtixBBB) zusammen. Das Ziel der IG ist, dass die Studierenden in Berlin und Brandenburg genauso viel wie die Azubis zahlen. Die Berliner sollen außerdem eine Erweiterung ihres Tickets aufs gesamte VBB-Gebiet erhalten, da diese zwar momentan den höchsten Preis zahlen, aber nur im Berliner ABC-Gebiet fahren können. Im Gegensatz zu den Brandenburgischen Studierenden, die das gesamte VBB-Gebiet für weniger nutzen können.
Bei vielen Studierenden herrscht auch teilweise der Irrglaube, dass wir berechtigt wären das Azubiticket zu kaufen und durch unsere Semesterticketverträge gezwungen wären, mehr zu zahlen. Das stimmt nicht! Studierende sind keine Azubis. Aber zurück zum Azubiticket: Azubis haben die Möglichkeit, für 365 € im Jahr durch ganz Brandenburg und Berlin zu fahren. Bis vor kurzen waren wir Studierende sogar auf fast dem gleichen Jahrespreis, wir haben allerdings noch die Fahrradmitnahme im Berliner ABC-Bereich.
Noch ein paar Fakten zum Azubiticket: Laut Aussagen des VBBs gibt es momentan rund 43.000 Abonent:innen, was „etwas mehr als einem Drittel der Anspruchsberechtigten in Berlin und Brandenburg entspricht“. Auch interessant: das Azubiticket wird im Gegensatz zum Semesterticket nicht durch ein Solidarmodell finanziert, sondern dadurch, dass das Land Brandenburg im Jahr 2019 und 2020 jeweils 4,8 Mio in ihrem Haushalt für die Mitfinanzierung zur Verfügung stellte. Was aus Sicht der Studierenden eigentlich doppelt unfair ist: wir sind mit dem Solidarmodell verpflichtet das Ticket zu kaufen und sollen jetzt auch noch mehr zahlen.
Die Azubis hingegen werden von der Politik subventioniert, sind nicht gezwungen, ein Ticket zu nehmen und haben in der Corona-Pandemie weiterhin ihr stabiles Monatseinkommen. Währenddessen verlieren wir Studierende unsere Nebenjobs und müssen uns mit miesen Krediten zufrieden geben.
Exkurs: die „Mehrwertwochenenden“
Schauen wir uns mal die „Mehrwertwochenenden“ vom VBB im September an. Hand hoch wenn ihr davon wusstet oder schreibt einen Kommentar. Für diejenigen, die nicht wissen was das war: wir haben ja momentan verminderte Mehrwertsteuersätze und Unternehmen können das theoretisch an ihre Kund:innen weitergeben. Der VBB hat beschlossen, das in Form von Aktions-Wochenenden im September an seine Kund:innen weiterzugeben. Dadurch konnte man mit der VBB-Zeitkarte durch das gesamte Gebiet des VBBs fahren, die Einzelfahrkarte wurde zur Tageskarte, man konnte drei Kinder zwischen 6 und 14 Jahren umsonst mitnehmen.
Was man sich da so als Brandenburgische:r Studierende:r fragt: wo ist da mein Vorteil, außer dass ich die drei Kinder mitnehmen kann, die ich wahrscheinlich nicht habe? Studierende der TH Wildau bezahlen mit ihrem Semesterticket sogar schon für die Mitnahme von Kindern. Die hatten also gar nichts davon.
Seitdem die IGSemtix existiert gab es bereits mehrere Verhandlungstermine. Die gemeinsamen Vertreter:innen haben dabei erreicht, dass man beim VBB zumindest darüber redet, wie man ein 365 €-Ticket umsetzen könnte. Auch ein Brückenvertrag, der leicht besser als der ursprüngliche Preisvorschlag ist, konnte erzielt werden. Das Thema ist dank der engagierten Vertreter:innen inzwischen auch in der Politik und der Presse aufgetaucht.
Wie viel der VBB mit uns verdient
Durch eine Anfrage der Partei Die Grünen musste der VBB kürzlich Teile ihrer Zahlen offenlegen. Ich empfehle jeder:jedem mal einen Blick darauf. Damit kann man ausrechnen, wie viel der VBB so ungefähr in einem Semester mit den Brandenburgischen Studierenden verdient. Im Sommersemester 2020 waren es 7.149.785,78 € – nicht schlecht, oder?
Generell kann man gut erkennen, dass die Hochschulen im Berliner Speckgürtel mehr als die anderen zahlen. Dabei bezahlt die TH Wildau mit 194,60 € am meisten; die Studierenden dort dürfen aber auch noch bis zum Ende des jetzigen Vertrages 3 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren umsonst mitnehmen. Mit 19.000 nimmt die Uni Potsdam die meisten Tickets unter den Brandenburgischen Hochschulen ab; bei uns waren es letzten Semester 2.886 Stück. Was der VBB allerdings nicht verraten will, ist wie ihre Einnahmen unter dem Flickenteppich an Verkehrsgesellschaften, aus denen sich der VBB zusammensetzt, genau verteilt.
Ihr dürft entscheiden!
Bei uns hat der AStA – statt einfach zu entscheiden, dass die Studierenden den Vertrag annehmen – eine Urabstimmung organisiert. Das heißt, dass ihr, die Studierenden der FH;P, entscheiden könnt, ob ihr den Semesterticketvertrag verlängern wollt oder nicht.
Die Preise würden in den nächsten zwei folgenden Semestern wie folgt aussehen: Im Sommersemester 2021 würden wir 193,16 € zahlen und und im Wintersemester 2021/22 198,16 €. Zum Vergleich: aktuell zahlen wir 188,16 €. Wir haben außerdem im Vertrag eine Ausstiegsklausel, die es uns erlaubt, den Vertrag zu wechseln wenn ein Vertrag für ein 365 €-Ticket früher kommen sollte.
Euch sollte auch klar sein, dass wenn ihr mit Nein stimmt, alle Studierenden der FH;P mindestens für zwei Semester kein Semesterticket haben werden. Damit wären wir dann wahrscheinlich die einzige Hochschule in Brandenburg und Berlin die keins hätte.
Wie ihr wählen könnt
Alle, die Briefwahl beantragt haben, erhalten mit den Unterlagen den Zettel zur Urabstimmung gleich mit. Solltet ihr es nicht geschafft haben die Briefwahl zu beantragen, habt ihr noch die Chance vor Ort zu wählen:
Am Mittwoch, den 18.11. und Donnerstag, den 19.11.2020 von 11 bis 15 Uhr im Foyer des Hauptgebäudes.
Ich weiß, dass einige von euch momentan frustriert über das Ticket sind, weil ihr es aktuell nicht wirklich nutzen könnt oder sogar schon vor der Pandemie kaum bis garnicht genutzt habt. Das habt ihr sehr deutlich in vielen E‑Mails an den AStA ausgedrückt. Aber ich bitte euch, denkt über euren Tellerrand hinaus. Es gibt Studierende, die dieses Ticket brauchen, um zur FH und/oder zur Arbeit und/oder zur Familie zu kommen – auch zu Coronazeiten. Nicht alle haben die Möglichkeit, Auto zu fahren. Außerdem ist Corona hoffentlich irgendwann mal vorbei und wir können alle wieder an der FH;P unsere Lehre haben.
Ich hoffe, dass die Urabstimmung positiv ausgeht und die Studierenden mit Weitsicht wählen und nicht nur die kurzsichtigen Aspekte in ihre Entscheidung mit einbeziehen. Ich hätte eine Nullrunde auch bevorzugt, aber der VBB hat diese Preise schon durch seine eigenen Gremien durchwinken lassen – und dann lässt es sich schlecht verhandeln.
Und nun?
Die Zukunft ist leider ungewiss. Man kann letztendlich nicht versprechen, dass wir innerhalb eines Jahres preistechnisch auf das Azubiticket angeglichen werden. Dafür brauchen wir Unterstützung aus der Politik. Aber wenn wir uns für den Vertrag mit der Brückenlösung entscheiden, muss sich der VBB spätestens im Februar wieder mit allen Studierendenvertretungen in Brandenburg und Berlin auseinandersetzen. Diesmal werden sie aber nicht mehr den Vorteil haben, mit neuen Gesichtern verhandeln zu können. Stattdessen werden sie die gleichen Studierenden wie beim letzten Mal konfrontieren müssen – nur besser organisiert und mit mehr Erfahrung.