Charlotte Torchalla, 21, ist in Schiffdorf aufgewachsen, einem kleinen Dorf an der Nordseeküste. Kurz nach ihrem Abi ist sie nach Potsdam gezogen, um ihr Produktdesign-Studium an der FHP anzutreten. Dieses Jahr, mitten in ihrem siebten Semester, war sie bei The Voice of Germany. Ein Gespräch über Dreharbeiten, ihre Faszination mit Musicals und was sie von dieser einzigartigen Erfahrung mitgenommen hat.
Charlotte, wieso hast du dich für Produktdesign entschieden?
Produktdesign fand ich immer schon superspannend, weil ich das Gefühl hatte, durch Gestaltung einen positiven Impact haben zu können, also etwas Praktisches für die Menschen zu gestalten und meiner Gestaltung einen Zweck zu geben.
Und warum die FH Potsdam?
Ich habe mich insgesamt an drei Unis in Deutschland beworben. Nach dem Auswahlverfahren an der FHP habe ich aber gesagt: Wenn die mich nehmen, dann gehe ich nach Potsdam! Weil ich hier die Atmosphäre mit Abstand am angenehmsten fand. Man ist hier mit den Lehrenden auf Augenhöhe und den Empfang fand ich echt cool.
Hattest du dich schon vor dem Studium mit Gestaltung beschäftigt?
Ich wusste zumindest, dass ich irgendwie in eine kreative Richtung gehen möchte, und im Produktdesign habe ich genau das gefunden, was mir Spaß macht und wo ich mich beruflich sehe. Mittlerweile habe ich mich in meinem Studiengang auf Medical Design spezialisiert – also das Gestalten von medizintechnischen Produkten. Da steht die Frage von Funktion und Ästhetik in Bezug auf die Konsument:innen nochmal stärker im Fokus, und genau deswegen finde ich Produktdesign so spannend.
In deinem siebten Semester warst du dann plötzlich im Fernsehen. Wie kam es dazu?
Ich habe tatsächlich schon super lange davon geträumt, Teil von The Voice of Germany zu sein. Das war jetzt schon meine dritte Bewerbung und diesmal hat es irgendwie geklappt.
Der Bewerbungsprozess war aber sehr, sehr langwierig. Beworben habe ich mich tatsächlich schon letztes Jahr [2021] im Dezember, und der ganze Prozess, bis man weiß, dass man in den Blind Auditions dabei ist, dauert über zwei Monate. Und in dieser Zeit hat man wahnsinnig viele Schritte, die man durchlaufen muss: Online-Interviews, Vorsingen vor Vocal Coaches, das Ausfüllen von Fragen …
Jedes Jahr soll es zwischen 14.000 und 17.000 Bewerbungen geben. Davon kommen immer nur 140 in die Blind Auditions, und von denen kommen auch nur 70 weiter. Dementsprechend wird da ganz schön eingedampft, bevor man überhaupt in das TV-Studio mit den Promis kommt.
Und du hast es geschafft, reinzukommen! Wie war dieser Moment für dich?
Ich wurde von der Produktion angerufen und die haben mir gesagt: Hey Charlotte, hast du da schon was vor? Wenn nicht, hast du Lust auf Blind Auditions? Und ich glaube ich habe einfach geschrien am Telefon! So gut erinnere ich mich aber gar nicht – ich war komplett überwältigt in dem Moment.
Und dann ging’s los. Die Blind Auditions dreht man in Studios in Berlin. Dort gibt es Vocal Coachings, Proben auf der großen Bühne, Fittings, Styling, Maske, Interviews, Beauty shots … Hinter diese krassen Konstrukte von TV schauen zu können, war wahnsinnig spannend und vieles auch eine neue Erfahrung für mich.
Mit deinem Musical-Song hast du in deiner Blind Audition dann nicht nur einen, sondern gleich alle vier Coaches überzeugt.
Ja, das war krass. Ich ging mit der Devise rein: Ich bin froh, wenn sich überhaupt jemand umdreht. Und dass sich dann gleich alle vier umdrehen, war absolut bombastisch! Ich habe mich so sehr gefreut, vor allem auch darüber, dass sich mein Wunsch-Coach als Erster umgedreht hat. Ab dem Moment in der Performance wusste ich: Okay, es geht weiter und ich kann das jetzt einfach nur genießen und es für mich machen.
Es hat mich auch extrem gefreut, dass die Produktion mich hat Musical singen lassen, weil das genau das ist, was ich immer schon geliebt habe. Ich singe in meiner Freizeit eigentlich ziemlich wenig Popmusik, sondern bin immer im Musical-Bereich unterwegs. Ich finde einfach die Kombination aus Gesang, Schauspiel und Tanz wahnsinnig interessant. Diese Leidenschaft auf die Bühne bringen zu können, also mich 100% authentisch präsentieren zu dürfen, war mir alles Wert.
Woher kommt diese Faszination mit Musicals?
Mein erstes Musical habe ich mit 9 Jahren gesehen – meine Eltern haben mich damals zu Tarzan mitgenommen. Danach habe ich ganze fünf Wochen lang die Lieder aus dem Musical gesungen. Und meine Eltern meinten dann: um Gottes Willen, zeigt dem Kind bloß, dass es noch andere Musik gibt, sonst hören wir das jetzt fünf Jahre!
Und damit hat es angefangen, dass ich mich in Musicals verliebt habe. Meine Schule hatte dann auch eine Musical AG, in der ich ab der fünften Klasse jedes Jahr mitgespielt habe. Und das hat den Weg geebnet. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich gesagt habe: das muss ich weitermachen!
… und dann hast du an der FH Potsdam eine Musical AG gegründet?
Das wäre doch mal was, oder?! Eine neue AG habe ich nicht gegründet, aber zumindest privat habe ich immer weiter Musik gemacht. Am Anfang des Studiums leider weniger als ich erhofft hatte, aber so langsam findet die Musik wieder einen Weg in meinen Alltag. Das große Ziel für die Zukunft ist, dass es auf jeden Fall so bleibt.
Aber ja, viele Leute haben mich gefragt, warum ich mich bei der Wahl des Studiums „gegen das Musical“ entschieden habe. Aber das würde ich so überhaupt nicht so sagen. Ich habe mich bewusst für Design als Beruf entschieden; ich habe das Gefühl gehabt, dass Design der Weg ist, den ich einschlagen möchte.
Ein weiterer Grund war für mich auch ein bisschen die Sorge, meine Leidenschaft für das Musical zu verlieren, wenn es darum geht, damit Geld zu verdienen. Ich weiß nicht, ob das jetzt immer noch so auf mich zutreffen würde. Aber mit Design habe ich etwas, womit ich später auf jeden Fall gut arbeiten kann, und das Gestalten bleibt auch eine krasse Leidenschaft von mir.
Zurück zu The Voice: wurden alle Folgen live gedreht?
Nicht ganz – die Blind Auditions, die Battles und die Sing-Offs werden vorab gedreht. Erst ab dem Halbfinale werden die Folgen im Fernsehen live übertragen. Meine Blind Audition wurde beispielsweise Ende Mai aufgenommen und erst am 19. August ausgestrahlt.
Das heißt also, dass du monatelang nichts erzählen konntest.
Ja, das war die schwierigste Zeit, das alles geheim zu halten! Ich habe mir auch wirklich Mühe gegeben; selbst in meinem engen Freundeskreis waren es nur sehr, sehr wenige Menschen, die wussten, dass ich das mache.
Es war auf jeden Fall auch eine Herausforderung im Unikontext, denn ich habe parallel in Vollzeit weiter studiert. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung der Lehrenden, die es mir ermöglicht haben, mal nicht anwesend zu sein oder Prüfungsleistungen später abzugeben. Denn es war sehr zeit- und energieintensiv – die Dreharbeiten gingen teilweise 10 bis 12 Stunden pro Tag. Gleichzeitig hat es aber so viel Spaß gemacht, dass es für mich jede Sekunde Wert war.
Und wie weit bist du schlussendlich gekommen?
Ich bin bis in die Sing-Offs gekommen – die letzte Station vor dem Halbfinale, also vor den Live-Shows. Da bin ich leider rausgeflogen. Wobei ich sagen muss: ich hätte ehrlich gesagt von vornherein nicht damit gerechnet, so weit zu kommen. Als ich nach den Battles auch in die Sing-Offs gekommen bin, war ich von Gefühlen überwältigt. Man sieht es auch im TV, dass ich mit der Situation komplett überfordert bin, weil ich bis zur letzten Sekunde nicht damit gerechnet habe, dass ich weiterkomme.
Ich bin am Ende ja gegen den Julian rausgeflogen, den ich wahnsinnig liebhabe. Und deswegen hat es gar nicht weh getan. Ich habe bis zur heutigen Stunde keine einzige Träne darüber vergossen, dass ich rausgeflogen bin, weil die ganze Zeit einfach nur positiv für mich war. Ich bin gewachsen, habe eine extrem tolle Erfahrung gesammelt und wahnsinnig coole Menschen getroffen. Wir sind wie eine Familie zusammengewachsen – die ganzen Talente, aber auch die Leute von der Produktion. Da ist so viel Liebe in dieser Produktion und in dieser Staffel, dass ich einfach nichts Negatives daran finden kann, in den Sing-Offs rausgeflogen zu sein.
Wie war es generell, im Fernsehen zu sein? Hat dich etwas überrascht?
Vieles hinter den Kulissen hätte ich mir ganz anders vorgestellt. Auch was die Dreharbeiten angeht: manchmal wusste ich gar nicht, wofür ich gerade eigentlich Fragen beantworte. Ich dachte, dass ich alles intuitiv verstehen würde, aber das war nicht immer der Fall.
Aber wovon ich total positiv überrascht war, war die Liebe, die in der Produktion steckt. Alle Menschen, die da arbeiten, sind absolute Profis in dem, was sie machen und stehen mit 100-prozentiger Leidenschaft dahinter. Dem Kameramann liegt nichts mehr, als diese Kamera jetzt perfekt einzustellen, die Tonfrau steht daneben und hat wirklich die größte Affinität für Ton, die man sich vorstellen kann. Alle Leute brennen für das, was sie machen und dass es den Talenten gut geht. Und das merkt man an jeder Ecke.
Ich habe mich von vorne bis hinten wohl gefühlt. Auch mit den Talenten; ich dachte, dass es vielleicht ein bisschen Konkurrenzkampf gibt oder dass man im Wettbewerbsmodus drin ist. Das gab es wohl in den anderen Staffeln viel. Aber bei uns gab es das einfach gar nicht! Die haben so eine tolle Truppe an Leuten zusammengestellt, die sich einfach nur durch die Musik verbunden gefühlt haben. Wir haben in jeder freien Sekunde Musik zusammen gemacht und haben auch jetzt noch viel Kontakt miteinander. Wir treffen uns regelmäßig und besuchen uns in ganz Deutschland, weil wir so zusammengewachsen sind – und das hätte ich auf keinen Fall vorher erträumen können, dass so was entstehen kann.
Und wie geht es jetzt weiter? Hat sich deine Perspektive auf das Studium verändert?
Jetzt möchte ich mein Studium auf jeden Fall beenden. Ich verstehe mich auch weiterhin als Designerin, aber ich glaube, diese Erfahrung hat mir jetzt den Push gegeben, mich nicht nur als Designerin sehen zu müssen, sondern auch Designerin und Musikerin sein zu können und beides in mein Leben zu integrieren.
Der größte Wunsch wäre jetzt, irgendwann mal eine Rolle in einer professionellen Produktion spielen zu können. Und bis dahin freue ich mich – seit ich bei The Voice of Germany war – auf Konzerten, Hochzeiten und Veranstaltungen zu spielen.
Man kann dich also buchen?
Ja! (lacht) Wer möchte, kann mich gerne buchen.
Was können Andere aus deiner Erfahrung lernen?
Ich glaube, es lohnt sich immer, seine Leidenschaften und Träume zu verfolgen. Wenn es wirklich Träume sind, die in einem leben, dann bringt es nichts, sie in einer Ecke im Karton zu verstecken und nach hinten zu schieben. Denn irgendwann platzen sie eh wieder auf! So war es bei mir auch: Ich habe meine Musik längere Zeit nach hinten geschoben, und das ergibt gar nicht so viel Sinn, wie man denken würde. Irgendwie ist immer Zeit dafür, sich selbst zu finden und zu wachsen. Ich wünsche also jeder*jedem, die Leidenschaft zu finden, die in ihr*ihm schlummert. Das kann z.B. im Studium sein, im Reisen oder in einem Hobby, in dem man sich verwirklicht. Das lohnt sich immer!