Mitten im Semester III

© Nikolas Ripka

Nach drei Jahren Pause wollte ich wieder wissen, was an der FHP alles los ist. Dazu habe ich Sebastian Meier, Anke Weiß und Ulrike Wuttke ein­ge­laden, über ihre aktu­ellen Pro­jekte zu sprechen und einen kleinen Ein­blick in ihre Arbeit zu geben. Anfang Dezember treffen wir uns in einem kleinen Bespre­chungsraum im Haupt­ge­bäude. Ulrike bringt Kekse mit.

Anke
Soll ich anfangen? Ich bin Anke Weiss, ich arbeite als Koor­di­na­torin für Aus­lands­mo­bi­lität und ins­be­sondere beim Erasmus+-Programm im Inter­na­tional Office. Ich bin vor allem dafür da, den Stu­die­renden zu helfen ins Ausland zu gehen und den Stu­die­renden, die zu uns kommen, einen guten Start zu ermög­lichen. Gerade sind wir in der Hoch­phase, was die Bewer­bungs­frist für die nächsten Aus­lands­auf­ent­halte angeht, die ist nämlich am 15.01. Das heißt, bei mir ist mitten im Semester gerade der Zeit­punkt, wo ich fast am meisten zu tun habe. 

Sebastian
Dann mache ich mal weiter. Ich bin Sebastian Meier, aus dem Fach­be­reich Design. Dort habe ich die Pro­fessur für die Gestaltung von Wis­sens­ver­mittlung – ein langer Titel – die sich zwi­schen den Stu­di­en­gängen Produkt- und Inter­face­design befindet. In meiner Lehre werden ganz viele Themen von Daten­vi­sua­li­sierung bis Para­metric Design, also wie man mit Code gestalten kann, abgedeckt.

In meiner For­schung geht es auch um Daten­vi­sua­li­sierung, spe­ziell im urbanen Raum. Wir haben aktuell mit „P³Dual“ ein sehr schönes Projekt mit der Lan­des­haupt­stadt Potsdam, wo es um die Arbeits­gruppe Smart City geht. Dort sind wir, mit unserer Kol­legin Emilia Knabe, direkt in das All­tags­ge­schäft der Digi­ta­li­sierung der Stadt ein­ge­bunden und können diese mit­ge­stalten. Unser Teil hat einen starken Fokus auf Par­ti­zi­pation und wie wir das Ganze wirklich an den Bedarfen der Bürger:innen entlang ent­wi­ckeln können. Im nächsten Jahr werden wir mit dem Projekt „InnoWest“ solche Inno­va­tionen auch in den länd­lichen Raum über­führen und schauen, was wir mit Digi­ta­li­sierung im Bereich der Daseins­vor­sorge dort machen können.

Ulrike
Ich bin Ulrike Wuttke und ich glaube, ich kann die Länge deines Titels, Sebastian, sogar noch toppen. Ich bin gerade tat­sächlich zwi­schen den Stühlen, weil ich momentan eine Ver­tre­tungs­pro­fessur für Biblio­theks- und Infor­ma­ti­ons­tech­no­logien und digitale Ser­vices an der FHP habe. Ab Januar werde ich aber reguläre Pro­fes­sorin für Biblio­theks­wis­sen­schaft – Stra­tegien, Ser­vice­ent­wicklung und Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­kation am Fach­be­reich Infor­ma­ti­ons­wis­sen­schaften sein. Die Nach­richt ist gestern erst gekommen, dass am 1. Januar offi­ziell der Switch statt­findet. Deshalb bin ich etwas auf­geregt und feiere das auch gerne mit euch mit meinen Keksen. Greift gerne zu! (lacht)

Mein Schwer­punkt ist also die digitale Trans­for­mation im Bereich Biblio­theken. Dazu kommt der Bereich Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­kation und die Frage, welche Rolle Biblio­theken in Zukunft spielen werden.

Ulrike Wuttke im Gespräch. © Nikolas Ripka

Anke
Ich bin tat­sächlich auch mit Digi­ta­li­sierung beschäftigt, und zwar wird gerade das etwas ein­ge­staubte Doku­men­ten­system bei Erasmus digi­ta­li­siert. Es gibt schon seit zwei Jahren das Projekt „Erasmus without Paper“, in dem jeder admi­nis­trative Schritt, jedes Dokument, jede Lern­ver­ein­barung digi­ta­li­siert werden soll. Und das ist nicht nur, wir machen aus einem Dokument ein Online-For­mular draus und gut ist, sondern ein ganzer Prozess muss digi­ta­li­siert werden. Es ist schon inter­essant, wie wir alle was mit Digi­ta­li­sierung machen – aber ich meine, wer hat das schon nicht mehr im Job im Moment.

„Es ist schon inter­essant, wie wir alle was mit Digi­ta­li­sierung machen – aber ich meine, wer hat das schon nicht mehr im Job im Moment“

Sebastian
Biblio­theken spielen auch bei mir eine wichtige Rolle. Bevor ich nach Potsdam gekommen bin, war ich am CityLab in Berlin, wo ich unter anderem auch mit den städ­ti­schen Biblio­theken in Berlin gear­beitet habe, auch im Bereich Digi­ta­li­sierung, spe­ziell im Bil­dungs­be­reich. Biblio­theken sind neben Wis­sens­räumen ja vor allem auch soziale Räume, wo ganz viele Men­schen zusam­men­kommen. Daher finde ich es auch spannend, welche Rolle Biblio­theken in Zukunft in der Stadt ein­nehmen können. Sie sind ja wirklich nicht mehr nur Orte, wo man Bücher oder andere Medien aus­leihen kann, sondern haben auch FabLabs oder Angebote wie Bas­tel­work­shops, wo mit Elek­tronik gear­beitet wird.

Das werden wir auch im Smart City-Projekt ver­suchen anzu­stoßen. In die Wis­sen­schafts­etage, die sozu­sagen auf der Stadt- und Lan­des­bi­bliothek oben­drauf sitzt, soll nämlich das „Potsdam Lab“ rein­kommen. Ziel ist, dass Wis­sen­schaft und Bürger:innen zusam­men­kommen. Und dort wird auf jeden Fall auch die Frage sein, wie man das Ganze noch stärker mit den Bürger:innen, die dann unten in der Bibliothek sind, ver­netzen und ver­binden kann.

Ulrike
Dieses Image der Bibliothek – ein Gebäude mit Büchern drin – ist in den sel­tensten Fällen wirklich noch der aktive Fokus der biblio­the­ka­ri­schen Arbeit. Bibliothekar:innen sind heut­zutage eigentlich Com­munity Manager:innen, die natürlich auch ganz viel über die ver­schie­denen Medien wissen müssen und hof­fentlich Liebe zu Büchern und anderen Medien mit­bringen. Aber die Lese­saal­auf­sicht, die nur immer mal „Psst“ sagt, das ist ein sehr ver­staubtes Bild. Viel mehr sind eben auch tech­no­lo­gische Kennt­nisse gefragt, um über­haupt mit digi­talen Medien umgehen zu können, aber eben auch um Apps bedienen zu können. 

Und wenn man sich das Grimm-Zentrum der Hum­boldt-Uni anschaut: die Biblio­theken sind voll. Des­wegen fand ich es auch total schade, dass einer der ersten Reflexe mit den ganzen Spar­maß­nahmen war, Biblio­theken zu schließen, die Heizung run­ter­zu­drehen oder weniger Öff­nungs­zeiten zu haben. Denn in vielen Fällen sind Biblio­theken wirklich wichtige Treffpunkte.

„Des­wegen fand ich es auch total schade, dass einer der ersten Reflexe mit den ganzen Spar­maß­nahmen war, Biblio­theken zu schließen“

Aber ja, Biblio­theken ent­wi­ckeln sich weiter. Auch im Bereich der Internationalisierung.

Anke
Du bist doch Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­be­auf­tragte, oder?

Ulrike
Genau, ich bin Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­be­auf­tragte des Fach­be­reichs. Ich freue mich darüber, in diesem Semester eine schöne Sache zum Abschluss gebracht zu haben: eine neue Koope­ration mit einer Fach­hoch­schule in Grau­bünden, in der Schweiz, und dem dor­tigen Institut für Informationswissenschaften.

Das Lustige ist, ich habe den Leiter des Instituts auf einer digi­talen Bil­dungs­messe getroffen, wo man zwi­schen ver­schie­denen Räumen switchen konnte. Und da sind wir über das Thema Inter­na­tio­na­li­sierung ins Gespräch gekommen, und er erzählte, dass seine Stu­die­renden vor allem nach Deutschland gehen. Und ich meinte, dass es bei uns ähnlich ist; wir hätten auch gerne, dass sie irgendwo hin­gehen, wo sie viel­leicht Eng­lisch lernen oder so. Aber sie gehen vor allem dorthin, wo sie Deutsch sprechen können. Im wei­teren Verlauf hat sich dann ergeben, dass wir eine Koope­ration ver­suchen könnten, und so ist es dann entstanden.

Mich würde inter­es­sieren, wie es bei Euren Stu­die­renden ist. Gibt es auch diese leichte Berüh­rungs­angst mit Englisch?

Sebastian
Ich kann jetzt nicht für alle Stu­die­renden sprechen, es gibt schon einige, die im deutsch­spra­chigen Raum bleiben. Aber darüber hinaus ist es durch­mischt, also von Koope­ra­tionen mit Malmö, bis hin zu Taiwan mit der Uni in Taipei – da gibt es wirklich ein ganz großes Spektrum, was du Anke wahr­scheinlich bestä­tigen kannst. Viel­leicht hat das auch etwas mit dem Fach­be­reich oder der Stu­di­en­gangs­kultur zu tun, wie man sich ver­netzt und wie die Com­munity auf­ge­stellt ist, was im Design viel­leicht einfach inter­na­tio­naler auf­ge­stellt ist als bei den Biblio­theken. Obwohl es ja auch gerade im nor­di­schen Bereich tolle Bei­spiele für moderne Biblio­theken gibt.

Anke
Das Angebot schafft auch die Nach­frage – also wo gibt es Partner, wo lerne ich die Sprache einfach, oder wo habe ich viel­leicht schon in der Schule die Sprache schon gelernt? Da ist immer so die Frage: will ich ins Ausland, weil ich meine Sprach­kennt­nisse ver­bessern will, oder will ich eigentlich die Erfahrung mit­nehmen und mich viel­leicht fachlich ver­netzen oder wie auch immer? Da gibt es so viele Anknüp­fungs­punkte, dass es total wichtig ist, dass wir uns breit auf­stellen und ein gutes Angebot schaffen.

Anke Weiß im Gespräch. © Nikolas Ripka

Sebastian
Kli­ma­wandel-tech­nisch finde ich es auch durchaus för­derlich zu schauen, was im näheren Umfeld von Deutschland statt­findet. Wir schauen gerade zum Bei­spiel, wie man die Koope­ration mit Mailand noch aus­bauen könnte. Auch sonst wollen wir unter­suchen, was Regionen sind, wo man andere Design-Per­spek­tiven bekommt, aber trotzdem noch im Zug hin­fahren kann und nicht einen Tag im Flugzeug sitzt, um hinzukommen.

„Kli­ma­wandel-tech­nisch finde ich es auch durchaus för­derlich zu schauen, was im näheren Umfeld von Deutschland stattfindet“

Anke
Das braucht es auch. Die Nach­frage von Stu­die­renden und von Leh­renden ist da. Über Erasmus gibt es auch erste Schritte – es gibt jetzt immerhin eine Pau­schale von 50 € zusätzlich, wenn man mit dem Zug oder einer Fahr­ge­mein­schaft ins Ausland an- oder abreist. Das ist natürlich noch nichts, wenn man überlegt, wie teuer so ein (Nacht-)Zugticket ist. Aber es gibt da erste Bewe­gungen. Wir als Hoch­schule haben uns vor Corona auch schon damit stark beschäftigt. Viele haben z.B. die Selbst­er­klärung für Dienst­reisen unter­zeichnet, also dass man unter einer bestimmten Kilo­meter- oder Rei­se­stun­denzahl darauf ver­zichtet, zu fliegen. Das dürfen wir auf keinen Fall aus den Augen ver­lieren, das geht auch gar nicht anders. 

Ich glaube, es ist auch nicht für alle inter­essant, ein Aus­lands­se­mester zu machen, wenn sie sich wirklich der Frage stellen: Kli­ma­wandel – wie kann ich nach­hal­tiger leben? Das merke ich schon in der Beratung, und des­wegen ist es total wichtig zu schauen, was es viel­leicht auch für digitale Koope­ra­ti­ons­mög­lich­keiten gibt.

Ulrike
Die Coro­nazeit hat da auch viel in Bewegung gebracht. Das ist schon eine sehr anstren­gende Zeit gewesen mit psy­cho­lo­gi­schen Umwäl­zungen, aber wenn wir zwei, drei Jahre weiter sind, werden wir auch sehen, dass es ein ganz starker digi­taler Schub nach vorne war. Dass man zum Bei­spiel mit einer stu­den­ti­schen Gruppe aus dem Ausland ein Seminar zusammen machen kann, ohne dass sie sich in echt treffen, das hätte vorher gar nicht als Option im Raum gestanden. Das gibt einem ganz andere Mög­lich­keiten, wie man die Kon­takte aus­bauen kann.

Auch die Frage: Wird die Bibliothek jetzt über­flüssig, weil die ganzen Res­sourcen online sind? Nein! Die Leute kommen trotzdem hin, aber sie machen dann andere Sachen. Oder auch digitale Kon­fe­renzen: In diesem Jahr habe ich zusammen mit der Uni­ver­sität Potsdam eine digitale Kon­ferenz aus­ge­richtet, die zwar eigentlich hybrid statt­finden sollte, aber als es mit der Corona-Lage kri­ti­scher wurde, dann kom­plett online durch­ge­führt wurde. Und das hat uns die Mög­lichkeit gegeben, fast 1.200 Leute digital zusam­men­zu­bringen. Das hätten wir am Campus natürlich nie in dieser Masse abbilden können.

„Wird die Bibliothek jetzt über­flüssig, weil die ganzen Res­sourcen online sind? Nein!“

Anke
Stell dir vor, 1.200 Leute auf dem Campus! Das wäre schon eine andere Aufgabe als einfach nur die Kon­fe­renz­räume zur Ver­fügung zu stellen. Man muss ja z.B. auch Unter­künfte suchen, was für in Berlin und Potsdam wahn­sinnig schwierig ist. Daher freut es mich, dass das Digitale so erfolg­reich war und ihr so viele zusam­men­bringen konntet – Wahnsinn!

Sebastian
Wir hatten auch im November das CityVis-Sym­posium, was zuerst einen öffent­lichen Teil und danach einen wis­sen­schaft­lichen Workshop hatte. Aus Europa sind für den wis­sen­schaft­lichen Workshop teil­weise auch Leute ange­reist, aber wir hatten Leute aus Thailand, Taiwan und den USA, die vir­tuell dazu­ge­schaltet waren. Und das ist schon toll, dass man dann inter­na­tionale Akteur:innen vir­tuell dazu holen kann. Dass man für sowas extra aus den Staaten hier hin­fliegen muss, ist einfach nicht gerecht­fertigt – aber die Men­schen trotzdem dabei haben zu können, ist großartig.

Sebastain Meier im Gespräch. © Nikolas Ripka

Ulrike
Ich habe das auch immer gerne, in der Lehre Gäste aus der Praxis zu haben. Lange hatte ich dabei den Fokus auf lokale Gäste, also aus Potsdam und Berlin. Durch die digi­talen Mög­lich­keiten ist es jetzt schon ein­facher zu sagen: Wir laden jetzt eine Refe­rentin der Uni­ver­si­täts­bi­bliothek in Jena zum Kurs ein. Und ich habe schon das Gefühl, dass es für die Stu­die­renden gar nicht so aus­schlag­gebend ist, dass Per­sonen nur digital dazu­kommen, weil sie sowieso nur kurz da sind.

Sebastian
Das sehe ich auch so. Wir hatten für unsere Jah­res­aus­stellung ganz tolle Speaker:innen aus der ganzen Welt, die vir­tuell dazu geschaltet waren. Sie wären sonst niemals nach Potsdam gekommen! Und die Stu­die­renden waren total begeistert von den tollen Vor­trägen. Das würde ich jetzt auch nicht mehr missen wollen, dass man solche Mög­lich­keiten nutzt. Man hätte es ja auch eigentlich schon vor Corona machen können, aber irgendwie war der Habitus nicht da, das in den Alltag so einzubauen.

„Wir hatten für unsere Jah­res­aus­stellung ganz tolle Speaker:innen aus der ganzen Welt, die vir­tuell dazu geschaltet waren. Sie wären sonst niemals nach Potsdam gekommen!“

Ulrike
Ich musste irgendwie gerade an den Slogan denken: Think global, act local. Und ein Bei­spiel, was ich super gerne erzählen wollte, ist etwas Inter­dis­zi­pli­näres, was sich bei mir ergeben hat. Über die Inter­na­tio­na­li­sierung habe ich Kontakt zu einer Dozentin im Fach­be­reich 1 bekommen. Zuerst haben wir gedacht, wir machen zusammen ein Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­projekt, wir sind aber letzt­endlich bei einem sehr schönen lokalen Projekt gelandet, welches sich um Born­stedt dreht. Also dem Stadt­bezirk, in dem die FHP ein­ge­bettet ist.

Im Seminar geht es darum, wie Leute hier im Stadt­bezirk leben, was sie damit ver­binden und was sie für Geschichten haben. Das schauen wir uns aus ver­schie­denen Per­spek­tiven an. Eine Frage ist, inwiefern wir durch diese Geschichten eine Ver­bindung zum Stadt­bezirk schaffen können, auch zwi­schen der FHP und dem Stadt­bezirk. Born­stedt ist ja noch sehr jung – das ist mir erst durch diesen Kurs so bewusst geworden. Als ich 2017 das erste Mal her­ge­kommen bin, dachte ich, es ist ein Stadt­bezirk wie jeder andere in Potsdam. Um dann zu erfahren, dass hier vor 30 Jahren nichts war, nur ein mili­tä­ri­sches Gelände. Und dann kam irgendwann die Fach­hoch­schule, und dann hat sich alles so ent­wi­ckelt. Das finde ich sehr spannend.

Sebastian
Früher war alles Natur hier außen rum, es ist ver­rückt, was in den letzten zehn Jahren hier alles pas­siert ist. Ich habe noch im alten Gebäude drüben stu­diert und den Master gemacht. Danach kam erst das Haus D und der Umzug dorthin.

Anke
Diese Ver­bindung zum Stadt­bezirk ist auch das, was du vorher meintest, oder? Also von der Fach­hoch­schule aus zu schauen, wie die Com­munity-Struk­turen in der Nach­bar­schaft sind, und wie man sie über­führen und zusam­men­bringen kann.

Ulrike
Genau. Vieles kann man aus der biblio­the­ka­ri­schen oder infor­ma­ti­ons­wis­sen­schaft­lichen Seite unter­stützen. Die Stu­die­renden haben schon eine Art Recher­che­guide ent­worfen, den wir auch online stellen wollen, damit auch die Bürger:innen aus dem Stadt­bezirk – Schlagwort Citizen Science – sich dann inspi­riert fühlen und sagen: Ich will mehr wissen, als was in der Wiki­pedia steht. Und das ist eine spe­zielle Kom­petenz, die wir als Fach­be­reich in den Kurs einbringen.

Aus dem Fach­be­reich Design sind auch Stu­die­rende dabei, und die bringen wie­derum Fähig­keiten aus dem Design­spektrum ein. Sie wollen z.B neben einer digi­talen auch eine hap­tische Karte machen. Und was sie da für Methoden mit ein­bringen, das war etwas, woran ich mit meinem infor­ma­ti­ons­wis­sen­schaft­lichen Hin­ter­grund über­haupt nicht gedacht hätte. 

Nächsten Freitag bekommen wir den Pro­to­typen der Karte vor­ge­stellt, nachdem wir lange darüber dis­ku­tiert haben. Das waren solche Fin­dungs­pro­zesse, wo man zwi­schen­durch denkt: Oje, das wird gar nichts mehr! Und dann gibt es auf einmal diesen Durch­bruch­moment und dann ent­faltet sich auch das Potenzial. Da muss man Ver­trauen in den Prozess mitbringen.

„Und dann gibt es auf einmal diesen Durch­bruch­moment und dann ent­faltet sich auch das Potenzial. Da muss man Ver­trauen in den Prozess mitbringen“

Sebastian
Jetzt bin ich aber sehr neu­gierig, was da ent­steht. Ich arbeite gerade auch mit zwei Stu­die­renden an einer großen 3D-gedruckten Potsdam-Karte, die wir für Daten­vi­sua­li­sie­rungen benutzen wollen. Von Potsdam gibt es nämlich offene Daten von den ganzen Gebäuden, was sehr schön ist. Es war aber trotzdem gar nicht so einfach, das ent­spre­chend zu model­lieren. Jetzt haben wir aber eine Koope­ration mit unserer Prä­senz­stelle in Lucken­walde, weil diese große 3D-Drucker haben. Damit können wir große Kacheln pro­du­zieren, die ca. 50 x 50 cm groß sind. 

Ziel ist dann, das Modell für Visua­li­sie­rungen zu benutzen, also Stadt­themen oben­drauf zu pro­ji­zieren. Ich arbeite auch viel im Aus­stel­lungs­kontext, also wie Wis­sens­ver­mittlung in Museen und in anderen Kon­texten funk­tio­niert. Und da haben wir in der Ver­gan­genheit fest­ge­stellt, dass die Kom­bi­na­tionen von digi­talen und phy­si­schen Objekten in der Ver­mittlung sehr gut funk­tio­niert. Also wenn man die Men­schen nicht nur vor einem Screen stellt, sondern wenn es auch wirklich was Hap­ti­sches gibt, was das Ganze unterstützt.

© Nikolas Ripka

Ulrike
Spannend! Wir bereiten auch schon einen neuen Antrag für einen InterFlex im nächsten Semester vor. Die Idee ist, es stärker auf Archi­tektur aus­zu­richten, weil die städ­te­bau­liche Ent­wicklung auch ganz spannend ist. Das Thema hat einfach so viele Facetten! 

Anke
Ich habe immer das Gefühl, dass sich die Stu­die­renden vor allem auf das Casino kon­zen­trieren, auch die inter­na­tio­nalen Stu­die­renden. Wir hatten letztens einen kleinen Advents­abend für inter­na­tionale Stu­die­rende orga­ni­siert, und sie haben erzählt, dass sie gar nicht so viel vom Campus run­ter­kommen, sondern vor allem ins Casino gehen und dann viel­leicht eher in der Innen­stadt oder in Berlin sind. Des­wegen finde ich es auch super spannend, den Stadtteil auch näher zu bringen. Viel­leicht auch mit Karten, die man allen Stu­die­renden, die neu ankommen, neben dem Cam­pusplan geben kann.

Ulrike
Die Zeit, wo wir nicht am Campus waren, hat auch eine gewisse Lücke geschlagen, den Campus wirklich als Ort wahr­zu­nehmen. Wir haben eine Gene­ration Stu­die­render gehabt, die zuerst über­haupt nicht am Campus war und erst im dritten oder vierten Semester über­haupt hierher gekommen ist. Da ist es gar nicht so einfach, diese Bindung mit dem Campus zu schaffen. Das Casino spielt dabei sicherlich eine wichtige Rolle. 

Ich finde es auch total gut, dass die Weih­nachts­feier in der Bibliothek statt­findet. Und da sind wir tat­sächlich wieder bei der Bibliothek als sozialer Raum, der auch ein Ort sein kann, wo man als Com­munity zusam­men­kommt. Manchmal wird dann darüber dis­ku­tiert, dass sie dadurch nicht mehr als wis­sen­schaft­licher Ort wahr­ge­nommen wird. Aber das glaube ich nicht – damit kann man über­haupt die Schwelle über­winden, in die Bibliothek zu gehen und sie wahr­zu­nehmen. Und wenn das erstmal über so ein Angebot ist, dann kommen die Leute auch wieder und machen Gebrauch von den anderen Dienstleistungen.

„Die Zeit, wo wir nicht am Campus waren, hat auch eine gewisse Lücke geschlagen, den Campus wirklich als Ort wahrzunehmen“

Anke
Deine Kekse sind übrigens super lecker, ich esse hier schon ganz fleißig! (lacht)

Sebastian
Was mich beim Born­stedt-Seminar noch inter­es­sieren würde: Habt ihr euch auch den Cam­pus­garten als Begeg­nungsort angeschaut?

Ulrike
Ja, wir haben mit dem Cam­pus­garten koope­riert und ihn als Ort vor­ge­stellt, der Ver­bin­dungen zwi­schen FHP und Nach­bar­schaft hat – mit seinen posi­tiven Aspekten als auch mit den mög­lichen Pro­blemen, die ent­stehen können, wenn der Raum eine andere Nutzung hat als was z.B. die Hoch­schul­leitung vor­sieht. Das macht es aber auch wieder recht spannend, also den Campus als Ort für die Nach­bar­schaft und nicht nur für die Hoch­schule zu sehen.

Wir hatten am Anfang des Seminars eine Gruppe von Senior:innen zu Besuch, um sie zu befragen. Und sie haben gesagt, dass sie gerne eine Cam­pus­führung hätten. Das haben zwei Stu­die­rende dann vor­be­reitet und alles gezeigt. Die Senior:innen waren davon wirklich begeistert und haben noch lange mit uns dis­ku­tiert. Dann haben die Stu­die­renden gefragt, ob sie Fragen an die Stu­die­renden haben. Und dann meinten sie: Die neue Gene­ration, die macht ja so einen Wirbel um das Gendern – könnt ihr uns das erklären? Und das haben die Stu­die­renden dann auch erklärt, was ich toll fand, um am Ende meinten sie: Okay, wenn ihr das so sagt, dann ver­stehen wir auch besser, wieso das für euch so wichtig ist. Und da war dann auch wirklich ein Stückchen Ver­ständnis zwi­schen den Gene­ra­tionen gewachsen, was ich super spannend fand.

„Und da war dann auch wirklich ein Stückchen Ver­ständnis zwi­schen den Gene­ra­tionen gewachsen“

Sebastian
Den Campus als Begeg­nungsort finde ich ein total schönes Konzept. Wir haben ja auch häufig Aus­stel­lungen im Haupt­ge­bäude, wo eigentlich auch Externe gut rein­gehen können. Und ich finde, das gehört irgendwie dazu, dass man bei den unter­schied­lichen Nut­zungs­arten gewisse Formen von Stress ertragen muss. Wenn dann nachts Jugend­liche auch mal rum­geistern und den Cam­pus­garten nutzen, dann muss man einfach kreative Lösungen finden, wie man diese ver­schie­denen Nut­zungs­formen har­mo­nisch zusam­men­bringt und dafür gemeinsam als Campus und Nach­bar­schaft gute Lösungen findet. Und genau das Bei­spiel mit den Senior:innen ist ein groß­ar­tiges Bei­spiel, wie so etwas gut laufen kann.

Ulrike
Zu dem Zeit­punkt war auch die Aus­stellung zu den Frau­en­Orten im Foyer des Haupt­ge­bäudes. Das haben sie sich auch sehr inter­es­siert ange­schaut und dann gemeint, dass sie noch einmal wieder kommen wollen. Bis zu dem Zeit­punkt war ihnen das Vor­han­densein der Aus­stellung nicht bewusst, und ich glaube, das ist wieder eine ganz lapidare Kom­mu­ni­ka­ti­ons­frage. Die FHP bewirbt das sicherlich über Instagram oder über den E‑Mail-Ver­teiler. Aber wie erreicht man jetzt Senior:innen in Born­stedt? Steht das dann auch in diesen Wurf­zei­tungen, die sie viel­leicht am ehesten lesen? Wer am Campus vor­bei­läuft, weiß gar nicht, dass man hier will­kommen ist und es auch Angebote für Nicht­stu­die­rende gibt.

Sebastian
Ich finde auch, dass die Hoch­schule innerhalb der Stadt gegenüber den Bürger:innen durchaus prä­senter sein könnte. Wir haben bei unserer Aus­stellung gemerkt, dass in Potsdam diese Kul­tur­s­telen, die man mieten kann, oder auch die Werbung in der Tram tat­sächlich gesehen werden, und dass Leute einen auch darauf ansprechen. Stra­te­gisch wäre es schon durchaus inter­essant, die Hoch­schule auch ein bisschen stärker in die Stadt­ge­sell­schaft hin­ein­zu­tragen und sicht­barer zu machen.

Es gibt natürlich eine große Kon­kurrenz in Potsdam. Als Wis­sen­schafts­standort gibt es ganz schön viele Insti­tu­tionen, die sich hier ange­siedelt haben, wo wir natürlich nur eine von den ganzen Akteur:innen sind. Nichts­des­to­trotz sind wir ein wich­tiger Player innerhalb des Feldes und könnten dadurch auch mehr für das lokale Mar­keting tun. Wir haben ja alle mög­lichen öffent­lichen Ver­an­stal­tungen hier, ob es die Jah­res­aus­stellung am Fach­be­reich Design ist, ob es Vor­träge sind oder Ring­vor­le­sungen. Es wäre schön, so etwas sichtbar zu machen und damit auch den Diskurs, der an der Hoch­schule stattfindet.

„Stra­te­gisch wäre es schon durchaus inter­essant, die Hoch­schule auch ein bisschen stärker in die Stadt­ge­sell­schaft hin­ein­zu­tragen und sicht­barer zu machen.“

Ulrike
Und dass die Fach­hoch­schule stärker wahr­ge­nommen wird, auch gegenüber der Uni­ver­sität, damit deutlich wird, dass wir ein eigen­stän­diger Player sind. Das könnte in den nächsten Jahren etwas stärker im Fokus stehen.

Anke
Auch der Ort selbst spielt eine Rolle. Als ich meinen ersten Tag zum Vor­stel­lungs­ge­spräch gekommen bin, fand ich den Campus richtig schön und hatte richtig gute Laune danach! Es war jetzt auch im Sommer, (lacht) ich kann mir aber schon vor­stellen, dass wenn man mehr Leute einlädt und die dann auch hier­her­kommen, es sicherlich hilf­reich ist, um sie län­ger­fristig zu uns zu bringen.

Vielen Dank für das span­nende Gespräch!