Im sechsten Beitrag der Reihe Konserviert und publiziert unterhält sich eine Kulturarbeiterin mit Tabea Vietzke, Alumna der Konservierung und Restaurierung.
Aylin:
Liebe Tabea, kannst du dich und deine Arbeit zum Anfang einmal kurz vorstellen, damit wir einen kleinen Abriss von dir, deinen Lebensumständen und deinem Arbeitsbereich haben?
Tabea:
Ich habe ein altes, fast vergessenes Kunsthandwerk für mich entdeckt und möchte es durch meine Arbeit wieder zu neuem Leben erwecken – die Strohmarketerie. Für diese außergewöhnliche Technik werden gefärbte Strohhalme geöffnet und einer nach dem anderen auf einen Träger geleimt. Durch die unterschiedliche Lichtreflexion, die die seidig glänzenden Halme schillern und changieren lässt, entsteht ein fantastisches Lichtspiel.
Schon seit dem 17. Jahrhundert ist diese Dekorationstechnik bekannt und in Europa weit verbreitet gewesen, heutzutage jedoch beinah völlig in Vergessenheit geraten. Bei der Fertigung orientiere ich mich immer auch an historischen Objekten und nutze traditionelle Techniken. Ich kombiniere also ein traditionelles Kunsthandwerk mit modernem Design. Außerdem restauriere ich natürlich auch alte Strohmarketerie-Objekte aus Museen und privaten Sammlungen.
Aylin:
Was hast du studiert und wann hast du deinen Abschluss gemacht?
Tabea:
2010 habe ich mein Studium für die Konservierung und Restaurierung von Holz an der FHP begonnen. Nach dem Abschluss meines Bachelors 2014 kam noch der weiterführende Master-Studiengang hinzu, der sich aber durch die Geburten meiner zwei wunderbaren Söhne etwas in die Länge gezogen hat. 2016 schrieb ich meine Abschlussarbeit zum Thema Strohmarketerien, bin aber erst seit 2018 nicht mehr Studentin.
Aylin:
Warum hast du dich damals für die FH Potsdam entschieden? Und würdest du rückblickend sagen, dass es eine gute Entscheidung war?
Tabea:
Ich habe mich ehrlich gesagt damals vor allem deshalb für die FH Potsdam entschieden, weil ich einerseits Restaurierung studieren und andererseits unbedingt in Berlin bleiben wollte – das war also der kleinste gemeinsame Nenner. Rückblickend muss ich aber sagen, dass es auch abgesehen vom Standort eine ziemlich gute Entscheidung war, hier zu studieren.
Aylin:
Und gibt es Dinge, die dir an der FH Potsdam besonders gefallen haben und die das Studium für dich besonders gemacht haben?
Tabea:
Das familiäre Umfeld, die lieb gewonnenen Menschen, aber auch die spannenden Projekte, die wir dank der engen Zusammenarbeit mit der SPSG (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Anm. d. Red.) und anderen Museen bearbeiten konnten, haben mir ganz besonders gefallen. Ich denke gern an meine Studienzeit an der FHP zurück.
Aylin:
Gab es aber auch Dinge, die dir gar nicht gefallen haben während deines Studiums?
Tabea:
Natürlich gab es immer wieder auch Gründe zu meckern. Der Lehrplan, besonders im Master, war leider nicht immer ganz optimal. Außerdem fehlte es aus finanziellen Gründen mal an Platz, mal an kompetenten Dozenten … irgendwas ist immer … (lacht)
Aylin:
Was waren dann deine nächsten Schritte nach deinem Abschluss an der FH Potsdam?
Tabea:
Ich habe mich selbstständig gemacht mit meinen Strohmarketerien. Leider kann ich davon noch nicht ganz leben, weshalb ich in Teilzeit noch einem anderen, völlig fachfremden Job nachgehe.
Aylin:
Wo genau in Berlin arbeitest du jetzt?
Tabea:
Oft arbeite ich in unserer Werkstatt in Berlin-Köpenick, manchmal aber auch am Schreibtisch zu Hause oder, wenn die Zeit mal wieder knapp wird, auch abends am Küchentisch.
Aylin:
Wie hast du es geschafft, dich selbstständig zu machen?
Tabea:
Eigentlich arbeite ich noch daran. In Teilzeit mit Kindern selbstständig zu sein, lässt einem nicht viel Zeit dafür. Aber ich hatte super Unterstützung durch einen Unternehmensberater, an den ich durch den Gründungsservice der FHP (ZETUP) gekommen bin. Veranstaltungen, wie die Kunsthandwerkstage, haben mir außerdem mediale Aufmerksamkeit, erste Aufträge und eine Einladung nach Paris zur einer der größten Design- und Kunsthandwerksmessen beschert.
Aylin:
Hattest du vorher schon viele Praktika gemacht bzw. während des Studiums in dem Bereich gearbeitet?
Tabea:
Ja, ich habe ein zweijähriges Praktikum als Studienvorbereitung bei einem Berliner Möbelrestaurator absolviert. Während des Studiums habe ich mich als Restauratorin selbstständig gemacht und nebenbei immer mal kleinere Aufträge bearbeitet oder als Freelancerin in anderen Unternehmen gearbeitet. Außerdem ist im Studium das 4. Semester als Praxissemester vorgesehen, wodurch ich die Möglichkeit hatte im Rijksmuseum in Amsterdam mitzuarbeiten.
Aylin:
Würdest du denn rückblickend betrachtet sagen, dass dich das Studium gut auf das Berufsleben vorbereitet hat?
Tabea:
Ja und nein. Fachlich war das Studium absolut lohnenswert und hat mir sehr viel gebracht. Was das Leben und die Herausforderungen als Selbstständiger angeht, bleibt man allerdings ziemlich unvorbereitet. Dazu muss man wissen, dass es als Restaurator (zumindest im Bereich Holz) beinahe unmöglich ist eine Anstellung zu finden. Der Weg in die Selbstständigkeit ist also fast unausweichlich, wenn man bei der Restaurierung bleiben will. Und genau darauf wird man im Grunde gar nicht vorbereitet.
Aylin:
Was schätzt du an deiner Arbeit, dem Fach und dem Berufsfeld besonders?
Tabea:
Die Abwechslung, die spannenden Projekte und schönen Objekte, die Arbeit mit den Händen und organischen Materialien, die nie aufhören zu altern und zu leben und dabei ihre Geschichten zu erzählen, mich in den Mustern der Strohmarketerien zu verlieren und beim Entstehen eines neuen Werkes zusehen zu können und das Gefühl am Ende tatsächlich etwas geschafft zu haben.
Aylin:
Und was eher weniger?
Tabea:
Der Teil mit der Bürokratie, Akquise, Internetpräsenz und Steuer, der ist wirklich nervig!
Aylin:
Ich denke viele interessiert auch, wieso die Berufs- und Einkommenschancen in Berlin aussehen?
Tabea:
In Berlin ist die Konkurrenz für Holzrestauratoren relativ groß. Darum bin ich sehr glücklich diese Marktlücke mit den Strohmarketerien entdeckt zu haben. Nur in Frankreich gibt es vergleichsweise viele Leute, die diesem Metier nachgehen. In Deutschland sind mir nur drei weitere Werkstätten bekannt, die sich mit „la marqueterie de paille“ beschäftigen. Demzufolge sollten die Chancen hier ganz gut aussehen … ich lasse mich überraschen, was die Zukunft bringt.
Aylin:
Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Glück auf deinem weiteren Weg! Hast du zum Abschluss noch Tipps für jetzige Studierende bzw. die, die es noch werden wollen? Was möchtest du ihnen noch mit auf den Weg geben?
Tabea:
Genießt die Studienzeit! Erst jetzt merke ich, wie wenig Zeit man hat, sich mit Dingen oder Projekten zu beschäftigen, die einen wirklich interessieren, weil im Berufs- (und Familien-) Leben ganz einfach die Zeit dafür fehlt. Auch wenn man schon im Studium viel zu tun hat, gibt es einem doch die Möglichkeit, sich bei Hausarbeiten und Projektarbeiten einem Thema ganz intensiv zu widmen. Das schafft man hinterher kaum noch.
Aylin:
Vielen Dank für das tolle Interview und deine Ehrlichkeit, ich habe sehr viel mitnehmen können und denke unsere Leser*innen werden das auch!
Über das Projekt
Dieser Beitrag ist im Kurs „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Restaurierung“ entstanden, eine Kooperation zwischen den Studiengängen Kulturarbeit und Konservierung & Restaurierung unter der Leitung von Prof. Dr. Julia Glesner und Prof. Dr. Angelika Rauch im Sommersemester 2019.
Mitwirkende
Bastian Braun, Rike van Kleef, Ute Hermann Nkatha, Aylin Peters und Nina Schwarz