7 Fragen an Irene Dittrich (Podcast)

© Elena Langner

In der neuen Folge erzählt Irene Dittrich, Pro­fes­sorin und Sena­torin aus dem Fach­be­reich Sozial- und Bil­dungs­wis­sen­schaften, über ihre Erfah­rungen, Wünsche an die Stu­die­renden und die Wei­ter­ent­wicklung ihres Fach­be­reiches und der Professur.

Herzlich will­kommen beim Semi­kolon Podcast „7 Fragen an“. Ich bin Elena und sitze hier heute mit Irene Dittrich, Pro­fes­sorin aus dem Fach­be­reich Sozial-und Bil­dungs­wis­sen­schaften. Sie sind auf die Kind­heits­päd­agogik spe­zia­li­siert. Wie kam es dazu?
Ich kam dazu, weil ich tat­sächlich Kind­heits­päd­agogik stu­diert habe. Während meiner Stu­di­enzeit gab es bun­desweit nur ganz wenige Stu­die­rende in diesem Stu­di­enfach und mit dem Jahr 2005 dann hier auch an der Fach­hoch­schule Potsdam. Dadurch sind ganz viele Stu­di­en­gänge ent­standen, die auf Kind­heits­päd­agogik aus­ge­richtet sind. Das war die erste Station meiner hoch­schu­li­schen Laufbahn und heute kann ich hier auch das lehren, was ich stu­diert habe. Das ist ein beson­deres Pri­vileg, darüber freu ich mich total.
Also heißt das, Sie haben vorher schon woanders gelehrt, aber nicht Kindheitspädagogik?
Ich hab überall glück­li­cher­weise Kind­heits­päd­agogik gelehrt, aber in anderen Stu­di­en­gängen. Zum Bei­spiel an der Uni Potsdam, im Stu­di­engang Erzie­hungs­wis­sen­schaften, mit einem Schwer­punkt und nur einer Lehr­ver­an­staltung in der Kind­heits­päd­agogik. An der FU Berlin war ich viele Jahre zunächst im Mas­ter­stu­di­engang, der hieß dann Qua­li­täts­ma­nagement und Bildungswissenschaft.

An der Alice Salomon Hoch­schule war ich tat­sächlich schon nach 2005 auch in der Kind­heits­päd­agogik unterwegs, in Koblenz-Landau in der Erzie­hungs­wis­sen­schaft und in Düs­seldorf konnte ich dann selber einen Stu­di­engang, wie er jetzt hier exis­tiert, leiten. Und komme jetzt an meinen Aus­gangs­punkt zurück. In Potsdam habe ich alles ange­fangen und da bin ich jetzt wieder ange­kommen. Ein runder Teller!

Das hört sich nach sehr viel an in so vielen Jahren. Sie haben einige Hoch­schulen und Uni­ver­si­täten erlebt, wie kommt man zu solchen Stellen, bewirbt man sich? Findet man was Besseres?
Ja, man kommt dazu, indem man sich bewirbt. Nach dem Studium habe ich erstmal eine Pro­jekt­stelle ange­nommen und die Frage war, ob ich Lust habe, neben dieser Pro­jekt­stelle hier an der Uni Potsdam zu lehren. Lust auf Lehre hatte ich immer! Dies hat sich erhalten und ich mag es bis auf den heu­tigen Tag total gerne mit Stu­die­renden darüber zu sprechen, ihnen mein Wissen zur Ver­fügung zu stellen und dann eben auch zu horchen, wie ihre Meinung dazu ist. Das ist eine ganz andere Gene­ration und sie werden etwas daraus machen, was ich gar nicht mehr so beein­flussen kann. Was ja auch sehr okay ist. So ist es ja gemeint.
Ist an der Fach­hoch­schule etwas anders, was Sie ver­missen von den anderen Hoch­schulen oder Lehrorten?
Ein Unter­schied ist, dass es hier viel kleiner ist. Ich war die letzten acht Jahre in Düs­seldorf, das ist eine sehr große Hoch­schule mit über 12.000 Stu­die­renden und das ist hier, ich sag mal, eine über­schaubare Größe …
Wir haben ungefähr 3.500 Stu­die­rende, also defi­nitiv weniger.
Genau, und in Düs­seldorf war der Fach­be­reich Sozial- und Kul­tur­wis­sen­schaften fast so groß wie die ganze Hoch­schule. Aber ich denke, wir werden hier in Potsdam schon noch ein Stück wachsen, davon gehe ich mal aus. Der Bedarf ist jeden­falls rie­sengroß. Wir haben einen rie­sigen Fach­kräf­te­bedarf im Fach­be­reich Soziales und da denk ich mal, es wird sich noch etwas ver­größern. Aber im Grundsatz: die Wege sind kurz, ich kann jederzeit, wenn ich über den Campus gehe, alle Kol­legen und Kol­le­ginnen auch im Prä­sidium erreichen und auch mal über den kurzen Dienstweg etwas besprechen, das ist schon sehr anders und das gefällt mir total gut.
Das klingt ja positiv. Diese Pod­cast­auf­nahme ist ja zustande gekommen, weil wir uns auf der Vor­stel­lungs­ver­an­staltung für die neu­be­ru­fenen Professor*innen ken­nen­ge­lernt haben. Das war sehr inter­essant. Frau Schmitt-Rodermund, die Hoch­schul­prä­si­dentin, hat die Ver­an­staltung mode­riert und die Frage gestellt, dass jede*r etwas Per­sön­liches über sich erzählen soll. Da kam dann am Ende raus, dass die neu­be­ru­fenen Professor*innen, ich glaube fünf oder sechs waren da, eine Band gründen wollten.
Ja, wir sind dazu gekommen, dass wir alle ein künst­le­ri­sches Hobby pflegen, bezie­hungs­weise einen Berufs­wunsch hatten, der im künst­le­ri­schen Bereich ange­siedelt war. Und ich habe gesagt, mit Musik habe ich es nicht so richtig dicke, ich würde mein Lieb­lings­hobby, was ich nicht zum Beruf gemacht habe, Tex­til­ge­staltung, tat­sächlich ein­bringen und Kostüm oder ansonsten Tex­til­ge­staltung bzw. Kos­tümbild mit ein­bringen. Dazu glaube ich etwas bei­tragen zu können.
Ist daraus schon etwas geworden?
Es ist noch nichts daraus geworden, aber die Kolleg*innen sehe ich jetzt im Dezember nochmal zum „Start me up“-Programm. Wir treffen uns als Neu­be­rufene und haben so eine kleine Neu­be­ru­fe­nen­ko­horte hier gegründet. Mal gucken, was davon noch besteht, das wird bestimmt noch ganz lustig.
Ja, wenn das erste Ken­nen­lernen ein wei­teres Treffen gebracht hat, ist es schon gut für die Ver­netzung. Sie sind jetzt seit einem Jahr an der Fach­hoch­schule. Wie war das Ankommen, finden Sie es familiär hier? Ich höre das manchmal so von anderen Mitarbeiter*innen. Sie sind ein bisschen zu spät gekommen zur Auf­nahme, weil Sie sich ver­laufen haben im großen LW-Gebäude, ich ver­stehe es, denn was macht auch eine Sozi­al­wis­sen­schaft­lerin im Werk­statt­ge­bäude? Eigentlich sind hier ja keine Lehr­ver­an­stal­tungen für Sie.
Das stimmt, trotzdem finde ich es sehr sehr angenehm auf diese Art und Weise das Gebäude ken­nen­ge­lernt zu haben. Ich freue mich auch total auf die Zusam­men­arbeit mit den Kolleg*innen aus den anderen Fach­be­reichen. Zum Bei­spiel wenn es um die Cam­puskita geht, die ja gebaut werden soll, in InterFlex-Semi­naren mit der Archi­tektur die Raum­ge­staltung, mit den Kolleg*innen zusam­men­zu­ar­beiten, finde ich toll. Insofern bin ich ganz dankbar fürs Ver­laufen, und hier einmal durchs Gebäude zu kommen. Jetzt habe ich eine grobe Idee, was hier exis­tiert, auch wenn nicht alle Räume offen waren.
Ja, man kann ja in viele Räume rein­gucken oder sich die Beschrif­tungen anschauen.
Genau.
Ich habe ja den Punkt familiär ange­sprochen, können Sie dazu viel­leicht noch kurz etwas sagen?
Ja, familiär sind auf der einen Seite die kurzen Wege, habe ich ja schon ange­sprochen, dass mir das gut gefällt. Ande­rer­seits hat es aber auch etwas von großer Nähe. Manchmal ist es viel­leicht ganz schön etwas Nähe zu haben in den Semi­naren, im Ver­hältnis zwi­schen den Stu­die­renden und Lehrenden.

Wir müssen aber auch darauf achten, dass sie die nächste Gene­ration als Stu­die­rende sind und Sie dürfen als solche deutlich und präzise in Frage stellen was wir machen, sozu­sagen als Gene­ration vor ihnen. Dafür ist es manchmal ganz gut, wenn diese Distanz auch ein­ge­halten wird. Also insofern, hat das Fami­liäre zwei Seiten, wie die meisten Dinge im Leben und an sich finde ich das gut. Habe aber auch schon den Wunsch darauf zu achten, dass es nicht zu nah wird.

Also im ersten Sinne nicht zu familiär mit den Studierenden.
Ja, genau.
Sie haben damit auch schon auf unsere nächste Frage ange­spielt: Die Stu­die­renden ver­trauen ihren Dozent*innen sehr, was Aus­sagen und Anfor­de­rungen betrifft, also, dass sie nicht selbst in die Modul­hand­bücher gucken und einfach glauben, was die Dozent*innen von einem verlangen.
Das finde ich schon gut, aber ermutige die Stu­die­renden nochmal da genau rein­zu­schauen. Die Mög­lichkeit, diese Modul­hand­bücher anzu­gucken und sich Prü­fungs­leis­tungen auch ein­zu­fordern, die jen­seits von Klau­suren und Referate halten statt­finden, sollte man nicht unter­schätzen. Wir haben Prü­fungs­formen, wie ein Port­folio als Prü­fungs­leistung, oder haben auch selbst bei uns in manchen Zusam­men­hängen eine Per­for­mance, oder ich gestalte ein Kin­derbuch in der Kind­heits­päd­agogik. Es ist kein Muss, dass es immer um ein Referat geht. Insofern ermutige ich die Stu­die­renden schon ihre Mög­lich­keiten zu sehen und diese auch einzufordern.
Gibt es Pro­bleme im Fachbereich?
Ich würde sagen, es gibt große Her­aus­for­de­rungen. Ich habe es eben schon ange­deutet, wir haben einen enormen Fach­kräf­te­mangel. Das ist echt unfassbar. Wir haben im Bereich Kind­heits­päd­agogik und auch in der Sozialen Arbeit einen so großen Auf­wuchs an Plätzen und Bedarf der ent­spre­chenden Fach­kräfte, dass keine Insti­tution, weder die anderen Aus­bil­dungs­ein­rich­tungen, wie Fach­schulen oder die Hoch­schulen, diesen Bedarf decken kann.

Wir beschäf­tigen uns damit, wie wir als Fach­be­reich damit umgehen, welche Stu­di­en­gangs­profile es geben kann, wie wir sys­te­ma­tisch in die Pro­fession hinein wei­ter­ent­wi­ckeln können. Da gibt es unter­schied­liche Vor­stel­lungen im Fach­be­reich, da besteht keine Frage, aber aus dieser Dis­kussion ent­steht Ent­wicklung. Deshalb führe ich die auch super gerne. Ich bin Fach­be­reichs­vor­sit­zende und habe Gele­genheit mich ein­zu­mi­schen, mich zu betei­ligen und auch dafür zu sorgen, dass die Fachh­hoch­schule Potsdam ihr Profil in der Hin­sicht stärken kann.

Sie sind auch Sena­torin geworden seit Anfang Oktober. Was hat Sie moti­viert, das zu machen? Haben Sie etwas Bestimmtes vor und wie ist es so an sich?
Ich war schon einmal Sena­torin in Düs­seldorf, dort aller­dings als Ver­tretung. Ich denke, das gehört zu meinem Berufsbild dazu, dass ich mich in der aka­de­mi­schen Selbst­ver­waltung regel­mäßig enga­giere. Ich hör mir das im Augen­blick erstmal noch alles an. Wir haben gerade eine kon­sti­tu­ie­rende Phase im Senat, da es relativ viele neue Mit­glieder gibt und ich freue mich darauf, hier auch die Hoch­schul­ent­wicklung mit­zu­ge­stalten. Die Senats­arbeit gibt mir die Mög­lichkeit mich ein­zu­bringen und zu sagen, es gibt diese und jene Anfor­de­rungen an unsere Aufgaben.

Dar­unter fällt z.B. Stu­die­rende zu qua­li­fi­zieren und die Fach­lichkeit, in der Dis­ziplin in der ich unterwegs bin, weiter zu ent­wi­ckeln. Das mache ich total gerne gemeinsam mit den Kolleg*innen. Weitere Fragen, die mich beschäf­tigen, sind: Welche Hoch­schule wollen wir denn eigentlich haben und wie wollen wir sie gestalten? Gerne auch mit Ihnen als Stu­die­rende, Sie sind da ja auch recht aktiv mit dabei. Das ist dann im Groben und Ganzen schon eine sehr lebendige Diskussion.

Das hört sich gut an. Dann kommen wir zur letzten Frage: Es wird ja, irgendwann wenn es soweit ist, ein neues Gebäude mit einem For­schungs­kin­der­garten ent­stehen. Der Bau­beginn des neuen Gebäudes wird leider immer weiter in die Ferne geschoben, aus Gründen, die die Hoch­schule nicht beein­flussen kann. Freuen Sie sich denn darauf?
Ja, total. Ich finde, das ist eine wun­derbare Gele­genheit, das Wissen zu erweitern, wie Kinder auf­wachsen, wie sie sich bewegen, welche Bedin­gungen sie brauchen, was gut für sie ist. Also, was Kinder für eine gute Kita halten. Da gab es ja auch durchaus eine Dis­kussion. Wir haben einen Beob­ach­tungsraum mit in dieser Kita ein­ge­plant, der durchaus auch im Land zu Fra­ge­zeichen geführt hat. Wir haben diese Fra­ge­zeichen lange dis­ku­tiert und da ist viel­leicht ein ganz inter­es­santer Punkt aufgekommen.

In den letzten Jahren hat sich ein doch sehr trans­pa­rentes For­schen in der Kind­heits­päd­agogik, auch gemeinsam mit Kindern, ent­wi­ckelt. Es ist sehr spannend, welche Ergeb­nisse die ersten For­schungs­pro­jekte in dieser Richtung erreicht haben, da Kinder beteiligt werden in diesen For­schungs­pro­zessen, diese auch jederzeit selbst­ver­ständlich wieder ver­lassen können und uns sagen, was für sie ein guter Ort ist, an dem sie gerne leben wollen.

Also eine Beob­ach­tungs­scheibe, durch die nicht nur die Stu­die­renden durch­gucken können, sondern auch die Kinder einmal hin­tenrum gehen können und sagen: „Schau mal, des­wegen habe ich den Turm jetzt umge­schmissen.“ Das beste Bei­spiel für einen Kindergarten.
So ist es, genau.
Haben Sie zum Schluss noch irgend­welche Anmer­kungen, möchten Sie noch irgend­etwas loswerden?
Ja, Sie haben nach familiär gefragt und nach Cam­pus­größe und was anders ist; ich finde diese Art, auf­ein­ander zuzu­gehen auf mich aus­ge­sprochen … ja, ein­nehmend, aber im posi­tiven Sinne. Es macht mir große Freude. Ich habe den Film, den Sie gedreht haben, mit großer Freude ange­sehen und ich muss sagen, ich fühle mich will­kommen und das wollte ich noch loswerden.
Dan­ke­schön. Dann Ihnen auch ein Dan­ke­schön, dass Sie mit­ge­macht haben und so begeistert von einer Pod­cast­auf­nahme waren. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal!

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