An der Fachhochschule wurde laut die Debatte über das Stille Örtchen geführt. Und selbst nachdem die „Toilette für alle“ an der FHP beschlossene Sache ist, können viele diese Debatte und der auslösende Problematik nicht nachvollziehen.
Ich selbst war bisher auch nicht sehr an der Thematik interessiert. Das lag daran, dass für mich der Gang auf die Toilette nie ein Problem war. Denn ich verstehe mich als Cis-Mann. Das „Cis“ ist in diesem Falle eine Kurzform für cisgender. Cisgender bezeichnet Menschen, die sich in ihrer Geschlechtsidentität mit ihrem von Geburt aus gegebenen Geschlecht identifizieren. Soll heißen: Ich bin als Mann geboren und ich verstehe mich auch als Mann.
Somit war für mich immer klar welche Toiletten-Tür ich zu nutzen habe. Das Männer-Symbol an der Tür wies mir immer den Weg. Nun gibt es jedoch auch Menschen, die sich nicht als cisgender identifizieren; die sich nicht als Frau oder Mann verstehen. Teilweise bezeichnen sie sich als transgender; viele wollen sich aber auch nicht in diese Kategorie einordnen lassen. Auf Facebook kann man gar zwischen 60 Geschlechtsidentitäten wählen.
Gerade für Menschen, die sich nicht den Kategorien „Frau“ oder „Mann“ zuordnen können, wurde der Toilettengang zu einem Problem. Denn welche Toilettentür sollte man nehmen? Die Zuschreibungen sind fest und eindeutig gekennzeichnet durch die Symbole an den Türen. Die „Toilette für alle“ bietet allen Menschen, die sich mit einem Geschlecht identifizieren, welches über weiblich und männlich hinausgeht, die Entlastung nicht mehr vor die Wahl gestellt zu werden. Somit wird die „Toilette für alle“ zum Schutzraum und sensibilisiert gleichzeitig für einen toleranten Umgang mit Geschlechtern.
Gleich zweimal kam ich mit dem Thema Unisex-Toiletten in dieser Woche in Kontakt. Ereignis Nummer 1 war die Entdeckung in Haus 2 (siehe Titelbild), Ereignis Nummer 2 geschah zwei Tage später in Form einer Ausgabe von “Die Zeit” (Nr. 25), die allwöchentlich im Abo bei mir in die WG flattert. Und wahrscheinlich war es das Zusammentreffen beider Ereignisse, die mich dazu veranlassten diesen Text zu schreiben.
Der Artikel von Raoul Löbbert, Mann, CDU-Wähler und Absolvent der Gender-Studies, hält ein Plädoyer für die Gender Studies. Und bezeichnet sie gar als „eine Übung in Mitmenschlichkeit“. Was er wirklich gut schafft ist die einfache Erklärung der Problematik und die Unterscheidung zwischen Sex und Gender. Kurz und knapp bringt er diesen Unterschied in einem Satz auf den Punkt: „Sex ist das, was ins Auge fällt, aber Gender bestimmt, wie wir leben.“ Löbbert sagt: „Wer gegen Unisex-Toiletten stänkert, hat nichts verstanden.“ Womit wir wieder beim Ausgangsthema wären.
Kommen wir nun also zum anderen Ereignis: Da eins meiner Seminare in einen anderen Raum verlegt wurde, fand ich mich im Haus 2 auf dem Campus Kiepenheuerallee wieder. Auf dem Gang fiel mir die Toiletten-Beschilderung ins Auge.
Auf einem großen weißen Schild auf der Tür prangt der Schriftzug: „Toilette für alle“. Darüber zu sehen sind zwei Symbole. Die Symbole stellen zwei Menschen da. Der linke Mensch wird meist mit einer Frau assoziiert. Der Grund dafür ist das augenscheinliche Kleid, welches die Person trägt. Die rechte Person wird allgemein als Mann gesehen. Beide Symbole weisen in der Regel auf Toiletten hin, die linke auf die Damentoilette, die rechte auf die Herrentoilette. Also was ist jetzt das Problem wenn diese beiden Zeichen auf die „Toilette für alle“ hinweist?
Wie oben beschrieben ist die „Toilette für alle“ die Möglichkeit für Menschen, die sich nicht mit der Geschlechtsidentität „Frau“ oder „Mann“ identifizieren, einen schamfreien und geschützten Raum für den Toilettengang herzustellen. Dafür steht der Zusatz „für alle“ bei „Toilette für alle“. In der Kombination mit den Zeichen für Frau und Mann wird dieses „für alle“ mit der Aussage „für Frau und Mann“ gleichgesetzt. Die eigentliche Bedeutung von „für alle“ wird damit aufgehoben. Menschen, die sich darüber hinaus einer Geschlechtsidentität zugehörig fühlen, werden somit wieder ausgeschlossen, entgegen der Intention der Einführung der „Toilette für alle“.
Und auch wenn Zeichen, gerade für Menschen, die nicht lesen können, im Sinne von Barrierefreiheit bei der Orientierung unterstützen, sollte man in diesem Falle darüber nachdenken, die Piktogramme zu entfernen um die Exklusion wieder aufzuheben. Aber das Entfernen ist nur ein erster Schritt, denn auf Grund von Barrierefreiheit brauchen wir Zeichen um anderen Menschen Zugang zu gewähren und nicht auszuschließen. Darum fordere ich: Neue Zeichen braucht das Land bzw. die Toilette! Das sage ich aus Sicht eines Kulturarbeiters. Was sagen die Designer*innen dazu?
Hey,
schöner Beitrag! I like.
Kleine Anmerkung: Dieses bestimmte Schild ist kein offizielles Schild für die Toilette für alle (dazu gibt es kein Bild/Piktogramm). Es wurde (vermutlich) vom FB5 angebracht, der jetzt hauptsächlich in diesem Haus sitzt und es nutzt.
Das ändert aber natürlich an dem Missstand und der artikulierten Forderung erstmal nichts.
–> mit „alle“ nur Frauen & Männer zu meinen ist aber auch schon eine sehr systematisierende (und somit ausschließende) Denkleistung.
Hallo Martin!
Sehr cool, dass dir dieser Missstand aufgefallen ist und du auch andere darauf aufmerksam machst!
Auch die gängigen Piktogramme für Toiletten sind ja gesellschaftlich erlernt und müssen „gelesen“ werden, sonst wüssten wir nicht, was sich hinter einer Strichperson ohne Rock und einer Strichperson mit Rock (oder Superheldencape, je nach Interpretation) verbirgt.
Aus pragmatischer Sicht würde ich vorschlagen den Toiletten kein Piktogramm für alle Geschlechter zu geben, da dies immer nur ausschließend sein kann, sondern, wenn es denn unbedingt ein Piktogramm geben soll, ein Piktogramm von einem Klo, denn das ist schließlich das, was dort zu finden ist. (z.B. so: http://ag-trans-hopo.org/all-gender-toiletten/media/label-piktogramm-sitzklos.pdf)
Die Einrichtung der Toiletten für alle war ein harter Kampf, der von einigen wunderbaren Studies vorangetrieben wurde. Dieser ist aber wie du gut erkannt hast, noch nicht vorbei. Vielleicht hast du ja Lust mal mit dem FB5 in den Austausch zu kommen und eine Lösung für die im Fachbereich durchaus vorkommende Ordnungs- und Labelwut zu finden.
Hier gibt es noch mehr Infos zu der ganzen Geschichte.
https://www.fh-potsdam.de/informieren/organisation/gremienbeauftragte/beauftragte/gleichstellungsbeauftragte/toiletten-fuer-alle/
Hallo Martin,
wir sind in der Tat immer noch auf der Suche nach einem nicht-diskriminierenden Zeichen für die Toiletten für alle. Ich persönlich finde ja die Wackelbild-Idee gut (wie hier: https://www.co-wc.com/). Aber wir brauchen ein tastbares Piktogramm, um nicht schon wieder auszuschließen… Ich setze also – wie Du – weiterhin auf unsere Designer_innen und auf inspirierende Diskussionen zum Thema. Danke für Deinen tollen Beitrag!
Hallo,
vielen Dank für die zahlreichen Hinweise, Ergänzungen und Anregungen. Ich finde es sehr gut, dass sich viele Menschen an der FH;P für eine Hochschule ohne Diskriminierung einsetzen. Das ist eine wichtiger Beitrag für unser Zusammenleben. Wir versuchen gerade eine weitere Meinung aus dem FB Design einzufangen, um diese bei Semikolon zu veröffentlichen. Hoffentlich gibt es hier bald mehr dazu.
Hey, ich bin völlig zufällig auf den Artikel gestoßen, da meine Tochter sich mit dem Thema Gender stark beschäftigt. Bisher habe ich mir darüber noch kaum Gedanken gemacht, da dass in meiner Generation noch nicht so angekommen ist. Aber ich denke ein Piktogramm einer Toilette wäre für alle gut, es lässt alle Varianten offen und ist trotzdem eindeutig.
Guter Beitrag.