Kein Zeichen für alle.

© Martin Naundorf

An der Fach­hoch­schule wurde laut die Debatte über das Stille Örtchen geführt. Und selbst nachdem die „Toi­lette für alle“ an der FHP beschlossene Sache ist, können viele diese Debatte und der aus­lö­sende Pro­ble­matik nicht nachvollziehen.

Ich selbst war bisher auch nicht sehr an der The­matik inter­es­siert. Das lag daran, dass für mich der Gang auf die Toi­lette nie ein Problem war. Denn ich ver­stehe mich als Cis-Mann. Das „Cis“ ist in diesem Falle eine Kurzform für cis­gender. Cis­gender bezeichnet Men­schen, die sich in ihrer Geschlechts­iden­tität mit ihrem von Geburt aus gege­benen Geschlecht iden­ti­fi­zieren. Soll heißen: Ich bin als Mann geboren und ich ver­stehe mich auch als Mann.

Somit war für mich immer klar welche Toi­letten-Tür ich zu nutzen habe. Das Männer-Symbol an der Tür wies mir immer den Weg. Nun gibt es jedoch auch Men­schen, die sich nicht als cis­gender iden­ti­fi­zieren; die sich nicht als Frau oder Mann ver­stehen. Teil­weise bezeichnen sie sich als trans­gender; viele wollen sich aber auch nicht in diese Kate­gorie ein­ordnen lassen. Auf Facebook kann man gar zwi­schen 60 Geschlechts­iden­ti­täten wählen.

Gerade für Men­schen, die sich nicht den Kate­gorien „Frau“ oder „Mann“ zuordnen können, wurde der Toi­let­tengang zu einem Problem. Denn welche Toi­let­tentür sollte man nehmen? Die Zuschrei­bungen sind fest und ein­deutig gekenn­zeichnet durch die Symbole an den Türen. Die „Toi­lette für alle“ bietet allen Men­schen, die sich mit einem Geschlecht iden­ti­fi­zieren, welches über weiblich und männlich hin­ausgeht, die Ent­lastung nicht mehr vor die Wahl gestellt zu werden. Somit wird die „Toi­lette für alle“ zum Schutzraum und sen­si­bi­li­siert gleich­zeitig für einen tole­ranten Umgang mit Geschlechtern.

Gleich zweimal kam ich mit dem Thema Unisex-Toi­letten in dieser Woche in Kontakt. Ereignis Nummer 1 war die Ent­de­ckung in Haus 2 (siehe Titelbild), Ereignis Nummer 2 geschah zwei Tage später in Form einer Ausgabe von “Die Zeit” (Nr. 25), die all­wö­chentlich im Abo bei mir in die WG flattert. Und wahr­scheinlich war es das Zusam­men­treffen beider Ereig­nisse, die mich dazu ver­an­lassten diesen Text zu schreiben.

Der Artikel von Raoul Löbbert, Mann, CDU-Wähler und Absolvent der Gender-Studies, hält ein Plä­doyer für die Gender Studies. Und bezeichnet sie gar als „eine Übung in Mit­mensch­lichkeit“. Was er wirklich gut schafft ist die ein­fache Erklärung der Pro­ble­matik und die Unter­scheidung zwi­schen Sex und Gender. Kurz und knapp bringt er diesen Unter­schied in einem Satz auf den Punkt: „Sex ist das, was ins Auge fällt, aber Gender bestimmt, wie wir leben.“ Löbbert sagt: „Wer gegen Unisex-Toi­letten stänkert, hat nichts ver­standen.“ Womit wir wieder beim Aus­gangs­thema wären.

Kommen wir nun also zum anderen Ereignis: Da eins meiner Seminare in einen anderen Raum verlegt wurde, fand ich mich im Haus 2 auf dem Campus Kie­pen­heu­er­allee wieder. Auf dem Gang fiel mir die Toi­letten-Beschil­derung ins Auge.

Auf einem großen weißen Schild auf der Tür prangt der Schriftzug: „Toi­lette für alle“. Darüber zu sehen sind zwei Symbole. Die Symbole stellen zwei Men­schen da. Der linke Mensch wird meist mit einer Frau asso­ziiert. Der Grund dafür ist das augen­schein­liche Kleid, welches die Person trägt. Die rechte Person wird all­gemein als Mann gesehen. Beide Symbole weisen in der Regel auf Toi­letten hin, die linke auf die Damen­toi­lette, die rechte auf die Her­ren­toi­lette. Also was ist jetzt das Problem wenn diese beiden Zeichen auf die „Toi­lette für alle“ hinweist?

Wie oben beschrieben ist die „Toi­lette für alle“ die Mög­lichkeit für Men­schen, die sich nicht mit der Geschlechts­iden­tität „Frau“ oder „Mann“ iden­ti­fi­zieren, einen scham­freien und geschützten Raum für den Toi­let­tengang her­zu­stellen. Dafür steht der Zusatz „für alle“ bei „Toi­lette für alle“. In der Kom­bi­nation mit den Zeichen für Frau und Mann wird dieses „für alle“ mit der Aussage „für Frau und Mann“ gleich­ge­setzt. Die eigent­liche Bedeutung von „für alle“ wird damit auf­ge­hoben. Men­schen, die sich darüber hinaus einer Geschlechts­iden­tität zuge­hörig fühlen, werden somit wieder aus­ge­schlossen, ent­gegen der Intention der Ein­führung der „Toi­lette für alle“.

Und auch wenn Zeichen, gerade für Men­schen, die nicht lesen können, im Sinne von Bar­rie­re­freiheit bei der Ori­en­tierung unter­stützen, sollte man in diesem Falle darüber nach­denken, die Pik­to­gramme zu ent­fernen um die Exklusion wieder auf­zu­heben. Aber das Ent­fernen ist nur ein erster Schritt, denn auf Grund von Bar­rie­re­freiheit brauchen wir Zeichen um anderen Men­schen Zugang zu gewähren und nicht aus­zu­schließen. Darum fordere ich: Neue Zeichen braucht das Land bzw. die Toi­lette! Das sage ich aus Sicht eines Kul­tur­ar­beiters. Was sagen die Designer*innen dazu?

5 Kommentare

  1. Hey,
    schöner Beitrag! I like.
    Kleine Anmerkung: Dieses bestimmte Schild ist kein offi­zi­elles Schild für die Toi­lette für alle (dazu gibt es kein Bild/Piktogramm). Es wurde (ver­mutlich) vom FB5 ange­bracht, der jetzt haupt­sächlich in diesem Haus sitzt und es nutzt.
    Das ändert aber natürlich an dem Miss­stand und der arti­ku­lierten For­derung erstmal nichts.
    –> mit „alle“ nur Frauen & Männer zu meinen ist aber auch schon eine sehr sys­te­ma­ti­sie­rende (und somit aus­schlie­ßende) Denkleistung.

  2. Hallo Martin!
    Sehr cool, dass dir dieser Miss­stand auf­ge­fallen ist und du auch andere darauf auf­merksam machst!
    Auch die gän­gigen Pik­to­gramme für Toi­letten sind ja gesell­schaftlich erlernt und müssen „gelesen“ werden, sonst wüssten wir nicht, was sich hinter einer Strich­person ohne Rock und einer Strich­person mit Rock (oder Super­hel­dencape, je nach Inter­pre­tation) verbirgt.
    Aus prag­ma­ti­scher Sicht würde ich vor­schlagen den Toi­letten kein Pik­to­gramm für alle Geschlechter zu geben, da dies immer nur aus­schließend sein kann, sondern, wenn es denn unbe­dingt ein Pik­to­gramm geben soll, ein Pik­to­gramm von einem Klo, denn das ist schließlich das, was dort zu finden ist. (z.B. so: http://ag-trans-hopo.org/all-gender-toiletten/media/label-piktogramm-sitzklos.pdf)
    Die Ein­richtung der Toi­letten für alle war ein harter Kampf, der von einigen wun­der­baren Studies vor­an­ge­trieben wurde. Dieser ist aber wie du gut erkannt hast, noch nicht vorbei. Viel­leicht hast du ja Lust mal mit dem FB5 in den Aus­tausch zu kommen und eine Lösung für die im Fach­be­reich durchaus vor­kom­mende Ord­nungs- und Labelwut zu finden.
    Hier gibt es noch mehr Infos zu der ganzen Geschichte.
    https://www.fh-potsdam.de/informieren/organisation/gremienbeauftragte/beauftragte/gleichstellungsbeauftragte/toiletten-fuer-alle/

  3. Hallo Martin,
    wir sind in der Tat immer noch auf der Suche nach einem nicht-dis­kri­mi­nie­renden Zeichen für die Toi­letten für alle. Ich per­sönlich finde ja die Wackelbild-Idee gut (wie hier: https://www.co-wc.com/). Aber wir brauchen ein tast­bares Pik­to­gramm, um nicht schon wieder aus­zu­schließen… Ich setze also – wie Du – wei­terhin auf unsere Designer_innen und auf inspi­rie­rende Dis­kus­sionen zum Thema. Danke für Deinen tollen Beitrag!

  4. Hallo,
    vielen Dank für die zahl­reichen Hin­weise, Ergän­zungen und Anre­gungen. Ich finde es sehr gut, dass sich viele Men­schen an der FH;P für eine Hoch­schule ohne Dis­kri­mi­nierung ein­setzen. Das ist eine wich­tiger Beitrag für unser Zusam­men­leben. Wir ver­suchen gerade eine weitere Meinung aus dem FB Design ein­zu­fangen, um diese bei Semi­kolon zu ver­öf­fent­lichen. Hof­fentlich gibt es hier bald mehr dazu.

  5. Hey, ich bin völlig zufällig auf den Artikel gestoßen, da meine Tochter sich mit dem Thema Gender stark beschäftigt. Bisher habe ich mir darüber noch kaum Gedanken gemacht, da dass in meiner Gene­ration noch nicht so ange­kommen ist. Aber ich denke ein Pik­to­gramm einer Toi­lette wäre für alle gut, es lässt alle Vari­anten offen und ist trotzdem eindeutig.
    Guter Beitrag.

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