Noch weht die rote Fahne über dem CasinOtopia. Ein Symbol des Punks, der linken Bewegungen und der Revolution. Doch die Tage der wehenden roten Fahne sind gezählt. Mit dem kommenden Wintersemester könnte damit Schluss sein, denn dann zieht das Casino zurück ins Haus 17, welches gerade unter Hochdruck saniert wird. Und da liegt das Problem.
Schon heute ist der einst wilde und geschichtsträchtige Ort, das Casino, nicht mehr wiederzuerkennen. Jetzt mit neuem Dach, neuen Gauben und neuer Fassade scheint von dem ehemaligen Kasernengebäude wenig geblieben, das vor mehr als 20 Jahren von Studierenden besetzt wurde. Damals gab es in Potsdam eine starke Hausbesetzerszene. Anteilig an der Stadtbevölkerung war sie sogar die größte in Deutschland. Und aus dieser Bewegung heraus wurde auch das Haus 17 zu einem Ort der studentischen Selbstverwaltung. Später wurde aus dem besetzen Haus ein Ort der Studierenden, mit gutem Kaffee, günstigem Bier und legendären Partys, die so manchen neuen Anwohner im Bornstedter Feld den Schlaf raubten. Doch die Zeiten gehören der Vergangenheit an und kommen wohl auch nicht mehr so richtig wieder.
Die beschlossene Sanierung des Haus 17 hätte auch beinahe das zwischenzeitliche Ende der langen Casino-Geschichte bedeutet hätten nicht drei Student*innen der Kulturarbeit beschlossen das Campusleben zu retten. „Viva el Campus!“ war ihr Motto und ihre Kampfparole. Der Campus sollte leben, blühen und zum Raum für studentisches Leben werden. Der Wunsch nach einem bestehenden selbstverwalteteten Ort auf dem Campus war von den Studierenden groß. Aus der Idee entstand eine Vision und letztendlich wurde das CasinOtopia geboren, als temporärer Ort auf dem Campus, der wieder in der Hand der Studierenden war. Und als das Gebäude dann endlich stand, war die Veränderung bereits bei mit der Eröffnung deutlich zu spüren. Nach mehr als 20 Jahren war das Casino aus der Schmuddelecke herausgekommen. Jetzt war man nicht mehr versteckt hinter der Panzerhalle und einem Dickicht von Sträuchern, sondern der Mittelpunkt des Campus.
Wo sich früher zweimal nur Mutige hinverirrten oder Gleichgesinnte sich trafen, um in den verrauchten Räumen des Casino Kaffee zu trinken, da kommen jetzt alle hin. Nun war man ja gezwungen am Casino vorbeizulaufen und die Hemmschwelle auf einen Kaffee reinzuschneien somit deutlich geringer. Ist also das CasinOtopia ein Ort für alle; für Studierende, Lehrende und Mitarbeitende geworden? Jein. Offensichtlich ist, das sich das Klientel tagsüber geändert hat, nicht mehr nur Studierende besuchen die Utopie aus Holz in der Campusmitte.
Doch offener ist das Casino dadurch nicht geworden. Im Haus 17 hatte man Angst aus Versehen einen Stammplatz der Casino-Gemeinde zu besetzen. Und auch heute bekommt man noch immer als Außenstehende*r das Gefühl vermittelt nicht dazuzugehören oder gar willkommen zu sein. Wie man schnell erkennen kann gibt es eine eingeschworene Casino-Gemeinde, die auch mal so manche studentische Vollversammlung an den Rande der Eskalation hochkochen kann, und nicht jeder Hinz und Kunz kann einfach dazugehören.
Was ändert sich nun mit dem Rück-Umzug ins Haus 17? Das neu sanierte Haus, das an eine schwedische Sauna erinnert, wird nicht mehr sein wie vorher. Hier wird nichts mehr voll von Makeln, kalt und schmutzig sein. Sondern möglicherweise wird es ihm genauso ergehen wie der Schiffbauergasse, einstiges Potsdamer Prestigeprojekt, und dümpelt am Ende totsaniert, leblos und ohne Charakter vor sich hin. Da macht auch die neue Holzfassade den Ort nicht attraktiver. Denn auch wenn vieles beim Alten bleibt wird es im neuen Gebäude mit Sicherheit mehr Regeln geben. Unter anderem könnte es dann heißen; „Rauchen bitte draußen.“ Und somit stirbt der Charme, das Verbotene und die Auflehnung. So würde das Casino zu einem glatt verputzen und kulissenhaften Ort werden, wie Potsdam so viele von ihnen hat. Vorbei ist es dann mit dem Punk. Adieu Auflehnung, adieu Revolution! Oder wir machen eben was anderes draus und dann kann auch im neuen alten Gebäude heißen; Viva el Campus! Viva la Revolución!
Vielen Dank für das interessante Update. Ein sehr schöner Artikel.
Seit wann braucht Punk eine Erlaubnis 😉
Es ist im allgemeinen eine interessant Frage, welchen Weg der Eigennutzung der Hochschulkapazitäten sie für sich beanspruchen (wollen und können).
Die Hochschule macht es einem nicht zwingend leicht und auf der anderen Seite fehlt Beständigkeit und hartnäckiges Auftreten.
Steve Jobs: „Death Is Very Likely The Single Best Invention Of Life“
In diesem Sinne: keine Angst vor Veränderung!
PS: Ich würde einem Rauchverbot in Studentenkneipen durchaus bevorzugen. Denn wenn es „studentisch“ verwaltet sein sollte, dann müssten Umstände geschaffen werden, welche alle Studenten die Möglichkeit bietet einen Ort zu besuchen der nicht Ihren Gesundheitlichen Gegebenheiten widerspricht und andere ausgrenzt.
Bin sehr gespannt auf das neue alte Haus 17, das wir GründerInnen für Euch zurück gelassen haben. Viele „Baueinsätze“, wilde Frischfleischpartys, tonnenschwere Beach-Partys mit beheiztem inndoor-Swimmingpool im Januar, Konzerte, Russen-Nächte in der Weintheke, Ausstellungen, Diplom-Präsentationen und natürlich endlose Verhandlungen mit der (wohlwollenden!) Hochschulleitung haben die Grundsteine gelegt, auf denen Ihr Euren Ideen, Phantasien, Feste, Träume, Projekte und so vielem mehr, ausleben könnt. Ob Punk oder Föhnwelle spielt keine Rolle. Das was zählt ist Eure Freiheit, die Ihr mit Eurem Haus17 habt. Nehmt sie Euch, diese Freunde des Lebens, nutzt den Freiraum, lebt!
Rauchen = Revolution? Come on!