Hallo, heute schreibe ich, euer altes FH-Gebäude.
War jemand von euch am 21. Januar “Unterwegs im Licht”? Oder habt ihr davon etwas in der Zeitung gelesen?
Ich habe lange darauf gewartet, dass die Presse über mich berichtet. Den ganzen Abend sind zahlreiche JournalistInnen über den Platz gehetzt um das beste Foto zu erhaschen. Bilder von den Regenbogenlichtern der Nikolaikirche, Bilder von der Schlange zum Barberini, Filmmuseum oder Rechenzentrum. Nicht eins von mir. Auch in den Berichten ging es nur um das neue Museum und die schöne Kirche!
Ich bin enttäuscht von der Presse und habe beschlossen, selbst zu schreiben.
„Studieren statt Flanieren“
An besagtem Lichtfest half mir eine spontane unangemeldete Initiative, mich, meine Gedanken, Emotionen und Ängste sichtbar zu machen. Hätte mir sonst mal jemand zugehört? Animierte Buchstaben wurden zu Worten, dann Sätzen, Aufforderungen, Fragen, zwischendurch Bewegtbilder aus dem Leben und den Projekten meiner Bewohner. Ich strahlte neben den anderen Gebäuden ganz besonders – still aber glücklich. Es war mir egal, dass mein vergrauter Putz etwas abbröckelte; ich war stolz, mich endlich für meine Studierenden einsetzen zu können.
Die Lichtinstallation am Alten Markt.
All diese Touristen, die tagtäglich mit historisch hypnotisierten Augen an mir vorbei strömen, wissen nichts von meinen Möglichkeiten. Ich werde nur als alt & hässlich dargestellt und wurde jahrelang vernachlässigt!
„Sanieren statt Rekonstruieren“
Die Stadt hat andere Pläne, sie wollen meinen Platz in der Stadtmitte historisch rekonstruieren. Dann wird diesen Raum niemand mehr nutzen können, der nicht mit Geld um sich wirft! Das ist ein Skandal! Meine Funktionen wird und kann kein anderes Gebäude ersetzen. Die Atmosphäre, der gegenseitige Austausch und die Vielfalt werden nach und nach verschwinden…
„Reiß mich nicht ab.“
Ich bin es leid, dass mein Potenzial nicht mehr wahrgenommen, sondern einfach so aufgegeben wird. Mit meinem Abriss werden die letzten freien Arbeitsmöglichkeiten für Studium und Lehre aus dem Stadtkern verdrängt. Alle Hochschulstrukturen, Institute und Forschungseinrichtungen sind dann außerhalb des Stadtalltages.
„Ich steh leer, benutz mich :P“
Wenn bis Ende des Jahres alle meine BewohnerInnen ausgezogen sind, dann bin ich so leer wie ein weißes Blatt. Aber wollt ihr zulassen, dass dieses Blatt einfach verbrannt wird oder schnappt ihr euch Papier, Farben und Schere und benutzt mich?
Bitte kommt rein – „Ich bin offen für alle(s)“
Fragst du dich auch, ob Potsdam nun endgültig zum Museum wird? Ob du irgendetwas mitentscheiden kannst? Ob hier auch Platz für “heute” und “morgen” ist? Und ob das dann überhaupt noch deine Stadt ist?
Wenn du zu denjenigen gehörst, die mit mir basteln (also protestieren) wollen, dann lade ich dich ein zur Aktion “Das ist unsere Stadt”. Am Sonntag den 12. März 2017, wird der Alte Markt von 11 bis 15 Uhr zum “Außenwohnzimmer”.
Ihr seid alle eingeladen zu Kaffee und Kuchen, zum gemütlichen Zusammensein und zu Protest, der Freude macht. Nicht irgendwo, sondern mitten in der Stadt – mit Sofas, Stühlen und Mitbring-Buffet. Hier wird das entstehende Bündnis “Stadtmitte für Alle” offiziell gegründet, was zeigt, dass mit euch zu rechnen ist. Ihr werdet ein farbenfrohes und ungewöhnliches Bild erzeugen, das kommuniziert: Ihr seid viele, ihr holt euch die Stadt zurück und richtet euch hier ein! Ihr werdet gemeinsam eine “Stadtmitte für Alle” schaffen!
Schnapp dir Stühle, Decken und Spiele, was Leckeres für das Buffet, gute Laune und Freunde, Familie oder Bekannte und sei dabei. Und wenn es regnet, dann seid ihr unter meine Arkaden herzlich willkommen!
Ich hoffe, dass es auch spontane Sofa-Konzerte geben wird, denn Musik (ver)bindet! Oder macht’s wie wir mit dem Haus17. Nehmt Euch den Freiraum, gestaltet ihn, macht „eigene“ Vorlesungen, verbündet Euch mit den ProfessorInnen und SEIT STUDENTiNNEN !!! Regt die Diskussion an, ladet Politiker ein, mit auf den Sofas zu sitzen. Wo ist Euer kleiner, innerer Revoluzzer 😉 ?
Liebes FH-Gebäude!
Voll schön, Deine Stimme zu hören! Liebend gern wollen wir die auch noch 100 Mal lauter hören! Der Buschfunk munkelt, es sollen bei aller Wohnzimmergemütlichkeit morgen sogar die Kochlöffel geschwungen werden FÜR DICH & für uns, wie ‑UNS- allen diese Stadt gehört! Wer also morgen mit dabei ist, vergesst nicht Teller & Besteck fürs leckere VoKü-Essen!
Solidarisch grüßen ein paar Zebras vom Unicampus Golm!