Eine Krise nach der anderen beeinflusst den Hochschulalltag – zusätzlich zur Klimakrise und der Coronakrise kam 2022 auch der Ukraine-Krieg dazu. Doch still war die Hochschule trotzdem nicht, denn dazwischen ist mal wieder ganz schön viel passiert. Ein Rückblick.
Von Krisenstab zu Krisenstab
Daran möchte man gar nicht denken, aber Anfang 2022 spielten die Corona-Maßnahmen eine noch größere Rolle im Alltag. Neben Abstandsregelungen und Nachverfolgungslisten waren Corona-Teststellen omnipräsent – auch an der Hochschule, wo man sich gleich im Hauptgebäude von einem Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes testen lassen konnte.
Der Start des Ukraine-Kriegs im Februar prägte schon nach wenigen Wochen den Hochschulalltag. Dort zeigte sich eine große Solidarität auf allen Ebenen: fachliche Vernetzungen, Kooperationen für die Lieferung von Spenden und die schnelle Einrichtung von Sprachkursen. Zur Mittagszeit konnten Geflüchtete über mehrere Wochen kostenlos in der Mensa essen (durch die Stadt Potsdam finanziert), das International Office beantwortete Anfragen von ukrainischen Studierenden und Mitarbeitende nahmen privat Familien bei sich auf. Nach ein paar Monaten wurde der Krieg weniger sichtbar – präsent blieb er aber trotzdem.
Eine weitere Folge des Krieges würde sich erst ein halbes Jahr später bemerkbar machen: Aufgrund des Verzichts von Gasimporten aus Russland und den erhöhten Energiekosten musste im Wintersemester kräftig Energie gespart werden. Die Vorgabe für die FHP: eine Einsparung von mindestens 20%. Das bedeutet kürzere Öffnungs- und Heizzeiten für alle Gebäude sowie die komplette Schließung von Haus 3. Die Nutzung von Räumen musste von nun an effizienter gestaltet, der Zugang am Wochenende reduziert werden. Die gute Nachricht: die Lehre blieb dabei größtenteils in Präsenz. Die schlechte Nachricht: die langwierigen Gespräche und Verhandlungen zu generell längeren Öffnungszeiten, besonders im Zeitraum rund um die Prüfungen, blieben dabei erstmal auf der Strecke.
Das war 2022 neu
Ein kleines Makeover bekam 2022 die Leitung der Hochschule. Neu besetzt bzw. umbesetzt wurden das Vizepräsidium für Studium und Lehre, das Vizepräsidium für Forschung und Transfer und – wie jedes Jahr – das studentische Vizepräsidium. Ersatzlos gestrichen wurde die Campusentwicklung; dafür ist das neue Vizepräsidium für Internationales und Digitalisierung dazugekommen, welches das Thema Internationales von Studium und Lehre entkoppelt, und zusammen mit Digitalisierung zwei wichtige Querschnittsthemen im Präsidium bündelt.
Im Mai fand auch die Einführung eines lang erwarteten Projektes statt: der Launch der neuen FHP-Website. Modern, übersichtlich(er), auf dem Handy nutzbar – ein Unterschied wie Tag und Nacht gegenüber der alten Version, die unsere Gastfreundschaft wirklich überbeansprucht hatte. So wie die FHP selbst ist aber auch die neue Website anders als perfekt; fürs Erste aber ist sie ein wirklich großer Schritt in die richtige Richtung.
Zum Beginn des Wintersemesters startete etwas, was schon lange eine Herzensangelegenheit des Autors dieses Beitrags war: ein offizieller Shop mit Hochschul-Merchandise. Eine Vielzahl an fair hergestellten T‑Shirts, Hoodies und Tassen in verschiedenen FHP-Motiven werden seitdem über einen Online-Shop verkauft und on demand produziert. Das Ganze ist ein Projekt der Fördergesellschaft der FH Potsdam, deren Einnahmen in die Förderung von studentischen Projekten und Veranstaltungen am Campus fließen.
Ende September wurde in der Bibliothek ein neuer Co-Working-Space eröffnet. Der ehemalige Computerpool wurde in einen modernen Lernraum in bester Lage transformiert, welches als weiterer fachbereichsübergreifender Begegnungsort den Co-Working-Space im Haus 17 ergänzt. Schon in kurzer Zeit wurde der Raum von den Studierenden gut angenommen – so sehr, dass sie abends auch gerne länger geblieben wären, wenn die Bibliothek nicht so früh schließen müsste.
Ein bisschen angenehmer gestaltete sich ab Dezember der Weg von und nach Potsdam im Regionalzug. Die Ostdeutsche Eisenbahn (ODEG) übernahm die Linie RE1 mit neuen Zügen, mehr Sitzplätzen und einer (zumindest geplanten) dichteren Taktung. Bequemer sind sie allemal – noch besser wäre es, wenn im neuen Jahr die Züge wirklich dreimal pro Stunde führen.
Der Campus füllt sich mit Leben
Nach vier Semestern vorrangig digitaler Lehre füllte sich der Campus im Sommer 2022 wieder mit Leben. Das neue Semester begann dabei mit einem Splash: am StudEntchen-Tag des AStAs an einem windigen 1. April wurden die Studierenden mit Glücksrad, einer Kunstfläche für Graffiti und einer Hüpfburg begrüßt.
Das von Studierenden der Kulturarbeit organisierte Re*action war ein dreitägiges, queerfeministisches Festival, welches wenige Wochen später an mehreren Orten des Campus stattfand. Mit dem Ziel, sich durch Empowerment und Vernetzung der Gleichberechtigung aller Geschlechter zu nähern, wurden neben Workshops eine Lesung, eine Filmvorführung, Konzerte und ein Vernetzungsmarkt mit Infoständen angeboten.
Festlich ging es auch in den darauffolgenden Monaten weiter. Während im Mai die Studierenden bis tief in die Nacht ihr eigenes Sommerfest feierten, fand im Juni noch das Sommerfest der gesamten FHP statt. Trotz eigenem Anspruch hatten am Ende hatten beide Veranstaltungen vieles gemeinsam: Live-Musik, einen Grillstand und ein gutes Familienprogramm.
Nachdem die letzte Werkschau in einem Burnout für das Studierendenteam endete, wurde die Designausstellung 2022 überdacht. Entstanden sind daraus zwei Veranstaltungen: ein sogenannter „Rundgang“ am Ende des Sommersemesters und die kuratierte Ausstellung „Transformation“, welche zu Beginn des Wintersemesters zugleich das 30-jährige Jubiläum des Fachbereichs feierte. Gefeiert haben das die Mitglieder des Fachbereiches im Innenhof zwischen Haus D und LW jeweils ausgiebig.
Auch der traditionelle Neuberufenenempfang wurde weiterentwickelt. Als „Kommen und Gehen“ wurden diesmal nicht nur die neuen Professor:innen begrüßt, sondern auch diejenigen verabschiedet, die die Hochschule vor kurzem verlassen hatten. Ein schönes Format, welches gerne wiederholt werden kann.
Abgerundet wurde das Jahr mit der hochschulweiten Weihnachtsfeier, die – und das ist ein Novum – in der Bibliothek stattfand. Neben Glühwein und Spekulatius gab es einen Büchertausch, Lese- und Bastelangebote und sogar eine Schneeballschlacht im Foyer des Hauptgebäudes.
Neue Perspektiven
Für neue Perspektiven setzen sich Studierende der Architektur ein. Von gendergerechter Stadtplanung, Zugänglichkeit und Barrierefreiheit ging es dem neuen studentischen Kollektiv Perspektiv;wechsel einerseits um Themen, die im Curriculum zu kurz kommen, andererseits aber auch darum, deutlich diversere Vorbilder aufzuzeigen. Dazu wurden am Campus Impulse, Vorträge und Diskussionsrunden veranstaltet, die insbesondere (aber nicht nur) von Architekturstudierenden gut besucht waren. Innovativ war dabei auch der Vortragsort vor dem großen Bildschirm im Foyer des Hauptgebäudes.
Weitere Themen abseits des Lernstoffs gab es beim „Kritischen Dienstag“. In dieser Vortragsreihe des AStAs wurde Themen wie „Lesbos im Wandel – Flüchtlingskrise oder Menschenrechtskrise?“, „Russlands Krieg gegen die Ukraine“ und „How to be an Ally“ eine Plattform gegeben. Anschließend durfte munter diskutiert werden.
Ein weiteres Projekt der Studierendenschaft beschäftigte sich mit Hygieneartikeln. Denn Menstruationsartikel sind im Leben menstruierender Menschen unerlässlich – und verdienen auch einen Platz in öffentlichen Toiletten. Als Pilotprojekt wurden daher in vier Toiletten auf dem Campus Menstruationsprodukte ausgelegt, die kostenlos entnommen werden konnten. Organisiert und finanziert wurde diese Initiative vom AStA.
Einen ordentlichen Gewinn konnten die Teilnehmenden der Betonkanu-Regatta feiern. Für das regelmäßig stattfindende Rennen, an dem bundesweite Hochschulen gegeneinander antreten, fand 2022 ein InterFlex-Kurs statt. Bauingenieur:innen, Designer:innen und Architekt:innen arbeiteten monatelang am Entwurf und Bau von zwei Kanus aus Beton. Dabei überlegten sie sich auch einen Teamnamen („FHPelikanus“) und gestalteten passende T‑Shirts und Plakate. Die Zusammenarbeit lohnte sich: ein Team schaffte es bis ins Halbfinale des Rennens und gemeinsam gewannen sie sogar den zweiten Platz in der Gestaltung.
Hochschulpolitisches
Gerade noch gerettet wurde die studentische Gremienwahl. Nach einem historischen Tiefpunkt mit kaum studentischen Bewerber*innen blieben nach der Wahl viele Plätze in Fachbereichsräten und Studierendenräten unbesetzt. Dadurch hätten die Studierenden an vielen Stellen ihr Stimmrecht verloren. Doch dank großem Engagement der studentischen Vizepräsidentin konnte kurz danach eine Nachwahl organisiert werden, mit der wie durch ein Wunder so gut wie alle verfügbaren Plätze besetzt werden konnten. (Im Wintersemester gab es dann eine Nach-nach-Wahl, auch dort konnten wieder einige inzwischen wieder freie Plätze besetzt werden.) 2022 hatten die Studierenden also noch verdammt viel Glück – es bleibt zu hoffen, dass die Studierendenvertretungen etwas daraus lernen.
9 Euro kostete das Nahverkehrsticket, welches von Juni bis August bundesweit angeboten wurde. In dieser Zeit transformierte sich die studentische Campus.Karte zu einem deutschlandweit anerkannten Ticket. Das Beste: die Studierenden bekamen die Differenz zum regulären Preis des Semestertickets unkompliziert über ihren Semesterbeitrag rückerstattet. Angesichts der zähen Verhandlungen zwischen Studierendenschaften und Verkehrsbetrieben bedeutete es eine kleine Verschnaufpause und eine durchaus spürbare Entlastung für die Studierenden, die auch mit den steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben. Das Jahr endete schließlich mit einer Einigung mit dem VBB, wodurch das Semesterticket zumindest für zwei weitere Semester zu den fast gleichen Konditionen wie bisher erhalten bleiben soll.
Am Ende des Jahres hat das Kollegium der Hochschule dann noch ein wichtiges Ereignis bewegt: der Besuch des Wissenschaftsrates. Das Land Brandenburg hatte dieses Gremium gebeten, die brandenburgischen Hochschulen zu bewerten und Gutachten mit Empfehlungen für deren Weiterentwicklung zu erarbeiten. Nach monatelanger Vorbereitung besuchte der Wissenschaftsrat Anfang Dezember die Hochschule, wo eine große Campustour organisiert, laufende Projekte vorgestellt und viele Gespräche mit allen Statusgruppen geführt wurden. Die Ergebnisse werden 2024 erwartet – das erste Feedback war aber durchaus positiv.
2022 war ein bewegtes Jahr. Trotz der vielen Krisen musste der Alltag weitergehen; Kompromissbereitschaft war mehr denn je gefragt. Sich davon aufhalten ließen sich die Hochschulmitglieder aber nicht. Ich finde, das ist ein schöner, kleiner Hoffnungsschimmer für die Zukunft.